Der gebürtige Ungar war als Aktiver für viele Jahre Publikumsliebling bei der Hertha und absolvierte für die alte Dame fast dreihundert Ligapartien. Mittlerweile war er gar zweimal als Hertha-Trainer im Einsatz.
Im exklusiven Interview haben wir mit ihm über die aktuelle Situation bei der Hertha gesprochen, die sich für viele im Moment im gefährlichen Fahrwasser befindet, auch was die Ligazugehörigkeit anbelangt.
Der Ur-Herthaner nahm sich die Zeit und sprach bei “Beidfüßig” über das Spiel gegen Gladbach, woran die Mannschaft zuletzt krankte und wie es in Zukunft weitergehen kann. Zudem wieso Union Berlin so gut unterwegs ist und was er über die Causa Manuel Neuer denkt.
Herr Dardai, lassen Sie uns über Hertha gegen Gladbach sprechen. Hertha steckt ganz tief drin im Abstiegskampf. Was würden Sie sagen? Welche Möglichkeiten hat Hertha jetzt noch? Welche Korrekturen müssen her?
Pal Dardai: “Also eigentlich ist das eine sehr empfindliche Sache. Ich sollte eigentlich nicht über Hertha BSC reden, aber fußballerisch gesehen ja, ist das eine schwierige Situation, denn es wurde gesagt, dass sie eine überragende Vorbereitung gemacht haben, die Spieler haben gedacht, dass es läuft, dann kommen sie zur Rückrunde und dann gibt es erstmal eine böse Niederlage und nicht nur eine, sondern mehrere.
Sie müssen erstmal die Mannschaft psychologisch stabilisieren und dann müssen sie erst mal an die eigene Stärke glauben. Das muss man ihnen einreden und dann an den eigenen Stärken arbeiten. Nicht jetzt einfach nur erzählen, ab jetzt Offensivfußball zu spielen, weiterzukicken, das wird schwierig. Sie haben trotzdem Glück, weil da gibt es genug Mannschaften, die ähnliche Probleme haben, die nicht gut aussehen, die nicht gut gestartet sind, die wenige Tore erzielen.
Wichtig ist, viele Leute sagen, du gewinnst die Spiele mit defensiver Arbeit, aber das stimmt nicht. Wenn man keine Spieler hat, die da vorne Tore machen, dann wird es schwierig. Und ich glaube bei der Hertha, ist das eine Schwierigkeit, Tore vorzubereiten und Tore zu machen. Es muss auch vorbereitet werden. Da gibt es ein Menge Arbeit.
Aber erstmal sind ein Grund zur Hoffnung die Fans. Das sind gute Fans, da pfeift keiner, die drücken die Daumen. Die Mannschaft muss diese Stärke der Fans aufnehmen. Und natürlich müssen sie jetzt am Wochenende punkten. Danach geht es nach Dortmund. Im Spiel gegen Gladbach müssen sie punkten. Das wird auch nicht einfach, denn Gladbach ist eine Mannschaft dieses Jahr, die man nicht richtig einschätzen kann, ob sie einen guten Tag, oder einen schlechter Tag haben. Ich schaue jetzt die Bundesliga nicht mehr so wie ein Trainer, sondern mehr als Fan, mit Konferenzschaltung oder Hertha-Spiel.
Aber wenn ich Gladbach gesehen habe, haben sie manchmal ein überragendes Spiel gezeigt und manchmal sind sie nicht wiederzuerkennen. Viel hängt für mich immer noch von Stindl ab, wenn er gesund ist und spielt, dann wird das für Hertha BSC sehr, sehr schwer.”
Wir sprechen ja bei den Abstiegskandidaten oftmals von vielen individuellen Fehlern der Spieler, die einfach nicht erklärbar sind. Glauben Sie, das liegt eher an den Qualitäten der einzelnen Spieler? Oder vielleicht einfach doch an dem Druck, an der Psychologie, die bei den Spieler vorherrscht?
“Zu viele individuell Fehler, das darf nicht sein. Wenn man in der Bundesliga hört, dass Spieler sagen, er sei momentan mental nicht voll da, dann müssen sie sich sagen: ‘Wir sind Profifußballer’. Sie kennen die gute Zeit und die schlechte Zeit.
Und wenn zu viele individuelle Fehler passieren, dann ist es immer die Qualität, so ist das im ganzen Leben. Da müssen wir nicht über Fußball reden, auch im Garten ist es so. Einmal schöne Pflanzen, dann wieder nicht. Irgendwas stimmt dann nicht. Entweder bleibe ich dran und ernte dann die Früchte, oder eben nicht. Das ist Qualität.
Da müssen sie eng zusammenrücken, die Herthaner, sie haben eine Chance, denke ich. Genau dann, wenn Gladbach einen schlechten Tag hat, dann kann man sogar gewinnen. Ich rede gleich mit meiner Frau und frage um mein Taschengeld und dann werde ich vielleicht mal eine kleine Quote anspielen.”
Im Startalk hatten Sie gesagt: ‘Im Abstiegskampf kann es auch helfen, wenn man junge Spieler einsetzt. Die sind unvorbelastet.’ Würden Sie das als Maßnahme oder Tipp weitergeben?
“Auf jeden Fall, aber natürlich müssen diese jungen Spieler auch die Qualität haben. Ich habe letztes Jahr nicht so viele Nachwuchsspieler gesehen von Hertha BSC, und ich weiß nicht, wie weit die Spieler von 18 bis 21 schon sind. Da muss dann schon Qualität da sein.
Damals hatte ich Glück, als ich das so gemacht habe, denn der 99er Jahrgang ist Meister geworden mit Hartmann. Aktuell weiß ich nicht, wie weit der Nachwuchs ist. Aber auf jeden Fall ein, zwei Spieler schaden nicht, sind vielleicht sogar gut für die Stimmung. Machen ein bisschen Druck auf die älteren Spieler und geben sich nie auf.”
Mache sagen, Pal Dardai könnte im Moment der Hertha helfen. Im Moment fragt ihn aber keiner, oder?
“Nein, mit der Sache beschäftige ich nicht. Ich bin wirklich ein zurückhaltender Mensch. Ich beobachte meine Kinder und wirklich, die sollen am Wochenende gewinnen und dann ist alles schön.”
Spieler-Stationen von Pal Dardai:
Dardai über Union Berlin: “Das haben sie sich verdient”
Im Moment ist Union Berlin ja die Nummer eins, nicht nur in der Hauptstadt, sondern fast schon auch in der Tabelle. Was machen die anders als Andere?
“Die ganze Geschichte zu lesen, eng dabei zu sein und zuzuhören ist schon interessant. Ich war bei einigen Spielen im Stadion, privat, auch als Trainer und was die da alles aufgebaut haben, das ist vorbildlich.
Die haben ganz klein angefangen, nie irgendwelchen unnötigen Druck aufgebaut, nicht einmal die Vereinsführung, auch nicht der Trainer und auch nicht Spieler. Sie haben sich immer die Ziele gesetzt, die man erreichen kann. Etwas was machbar ist. Nicht irgendwelche überdimensionalen Sachen, nur für große Sprüche.
Die haben sich schon damals hervorgetan, als die eigenen Fans das Stadion gebaut haben. Das ist ein riesen Zeichen. Ja, das ist ein Marke. Welcher Fan baut heute ein Stadion für seine Mannschaft? Diese Atmosphäre, diese positive Energie, da sag ich immer, dass es noch Sinn im Fußball gibt. Je mehr Sinn das hat, umso besser funktioniert die Mannschaft. Das Gift muss weg. Dort scheint das alles sehr vernünftig zu sein und sehr, sehr eng.
Keiner bohrt den anderen an. Man sieht eine geradlinige Vereinsführung, das haben sie gut gemacht. Auch das Scouting, wie die einkaufen für den eigenen Stil. Sie haben einen eigenen Stil. Niemand kann erzählen, dass sie wunderschönen Fußball spielen, aber sehr erfolgreichen Fußball. Mit einem System, ähnlich wie die ungarische Nationalmannschaft. Wenn man da die richtigen Spieler holt, ist das System sehr schwierig zu knacken. Für dieses System holen sie gute Spieler. Sie beweisen auch eine glückliche Hand bei den Torjägern. Einer geht, der anderen kommt.
Großes Lob an die Trainer, den Trainerstab, das Scouting und auch die Vereinsführung dafür, wo sie momentan stehen. Das haben sie sich verdient. Das ist systematisch, das ist nicht irgendwie, als hätte man zwei Spieler geholt und jetzt momentan funktioniert alles, aber morgen geht schon alles kaputt. Da sieht man die Struktur. Vor der Winterpause haben sie die letzten vier Spiele, glaube ich, mit einem Unentschieden und drei Niederlagen gespielt.
Die Endphase war nicht mehr so gut, aber es war wieder gut moderiert, ruhig und dann haben sie es wieder gezeigt und sind da oben dabei. Man wird sehen, wo das endet. Wenn die noch ein größeres Stadion bauen, dann wird das schon eine Riesengeschichte. Die Stimmung ist überragend und wenn noch mehr Leute kommen, gibt es noch mehr positive Energie. Beim Fußball ist das wichtig. Ich glaube, dann kann das eine noch größere Geschichte sein.”
Manuel Neuer. Hat er richtig gehandelt? Wie sehen Sie das? Eine Einschätzung dieser Situation.
“Also erst mal muss ich sagen, ich habe dazu bis jetzt nicht viel gelesen. Ich habe meine Frau gefragt, was da bei Bayern los ist, weil ich immer unterwegs war und ich habe mich mit dem Thema nicht viel beschäftigt. Es ist eine unglücklicher Sache, denke ich.
Es wäre aber besser gewesen, wenn die ganze Diskussion irgendwie hinten den Kulissen geblieben wäre. Wenn einer Spieler verletzt ist, dann muss er erst mal gesund werden. Ich bin aber nicht da, ich bin nicht dabei. Und deswegen weiß ich nicht. Die menschliche Seite kann man verstehen. Wenn jemand einen Vertrauenstrainer verliert, dann ist das sehr, sehr schmerzhaft. Aber wir sind im Profifußball. Die Führung und die Vereinsführung, das ist bei jedem Verein so, die entscheiden.
Und als Profi wird man dafür auch bezahlt, dass man das alles akzeptieren muss. Denn man kriegt seinen Monatslohn. Aber ich kann das auch verstehen, gerade beim Torwart. Ich kann nur über die Hertha reden. Zsolt Petri war raus aus dem Verein, ich hab sogar versucht, ihn zu retten. Ähnliche Geschichte. Da haben sie gesagt, das ginge nicht aufgrund seiner Aussage und Rune Jarstein war fix und fertig. Rune Jarstein hatte gute Jahre in der Bundesliga und einen guten Namen. Aber er und Zsolt Petri waren einen Einheit.
Die waren seelisch verbunden, die Psychologie so tief, das war eine andere Welt. Da ging es nicht nur ums Training und solche Sachen. Torhüter brauchen das und das müssen sie auch verstehen. Bestimmt war das für Manuel Neuer schwierig, aber ich bin nicht dabei. Wir spekulieren nur über die Dinge. Als Trainer weiß ich, Torwarttrainer und oft die Nummer eins, was schwierig sein kann für Nummer zwei und Nummer drei, haben oft eine andere Welt. Das muss auch so sein, denn dort im Tor zu stehen, ist eine schwere Sache.
Man sieht nur die Fehler. Macht man einen Fehler, dann ist man gleich ein Depp und jeder Fehler wird bestraft. Das ist psychologisch ein harter Job. In diesem Moment hat Manuel Neuer wahrscheinlich seine Unterstützer verloren und das hat ihm wehgetan. Aber wie das moderiert wurde ist schwierig. Am Ende hat die Führung immer das Recht, eine Entscheidungen zu treffen. Als Spieler steht in deinen Vertrag ‘Profi’. Man ist Profi, weil man Sachen akzeptieren muss. Das ist die Bedingung.
Man hat einen Profi-Vertrag, weil man professionell damit umzugehen hat. So ist die ganze Welt, nicht nur bei Bayern denke ich, sondern auch bei Hertha und auch bei jedem anderen Lieblingsverein. Man kann beide Seiten verstehen, aber in dieser Diskussion bin ich nicht sehr tief drinnen.”
Vielen Dank, Pal Dardai.
“Sehr gerne, alles Gute.”
Interview: Carsten Fuß
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