Während seiner Zeit als Profi spielte Max Nicu unter anderem für die Hertha, und dort sowohl mit Sandro Schwarz, als auch mit Pal Dardai in einer Mannschaft, kennt beide also bestens. Bis heute hat er gute Kontakte nach Berlin und auch in die Fan-Szene.
Im Zuge der “Wettbasis Bundesliga Tipps” auf dem “Wettbasis Sportwetten” Youtube Channel haben wir ihn vor dem Spiel gegen Bremen eingeladen, seine Ansichten und Einschätzungen zum Thema Hertha BSC und Trainerentlassung, aber auch Potenzial der Mannschaft und Umfeld, mit uns zu teilen.
Ein weiterer Verein aus Nicus Vita, 1860 München, kämpft schon länger mit ähnlichen Problemen. Auch zu diesem Thema bezog der gebürtige Oberbayer Stellung.
Bereits im Februar ’23 haben wir mit Pal Dardai ein Gespräch über Hertha BSC geführt. Und auch Max Nicu war ziemlich genau vor einem Jahr schon Gast. Die Situation der Hertha war damals kaum anders.
Max Nicu: “Kein Trainer hat es geschafft, seinen Stil durchzudrücken”
Der 29. Spieltag in der Bundesliga steht an. Wir haben mal wieder einen neuen Trainer, Pal Dardai. Die Hertha war nicht mehr überzeugt von den Qualitäten Sandro Schwarz’, deshalb haben sie gewechselt. Dazu begrüßen wir einen Experten. Hallo Max Nicu.
“Hallo! Viele Grüße.”
Herr Nicu, Sie haben bei der Hertha gespielt, und vor allen Dingen kennen Sie beide Trainer. Sowohl mit Sandro Schwarz, als auch mit Pal Dardai haben Sie zusammengespielt. Eine erste Einschätzung dazu: War der Trainerwechsel richtig, Ihrer Meinung nach?
“Ja, ich denke unvermeidlich. Wenn man sich die Ergebnisse anschaut, sowieso. Eine Sache hat Sandro Schwarz am Ende noch sehr gut kommuniziert. Und zwar, dass man dann auch dazu stehen muss, dass die Ergebnisse, die man sich gewünscht hat, leider nicht eingetreten sind.
Daher glaube ich, dass der Impuls spätestens jetzt passieren musste. Man sieht es bei anderen Teams, dass das durchaus etwas bringen kann, in der letzten Phase der Saison. Daher war das nachvollziehbar, und ich denke in dem Fall auch richtig. Ob es dann am Ende auch dafür reicht, dass die Klasse gehalten wird, wird man sehen.”
Was wird Pal Dardai jetzt konkret anders machen? Ich habe es angesprochen, Sie kennen beide sehr gut, haben mit beiden zusammengespielt. Wo sehen Sie die Veränderungen, die Pal Dardai jetzt vornehmen wird?
“Prinzipiell ist es so, dass Pal Dardai vorher auch schon Hertha-Trainer war. Er kennt den Verein sehr gut. Ich habe jetzt auch ein bisschen mit dem Umfeld gesprochen und mit einem sehr guten Freund von mir, der in der Fan-Szene sehr weit drin ist.
Es wird halt jetzt erwartet, und ich glaube, das ist auch logisch, dass erstmal die Defensive stabilisiert werden muss. Das hat man jetzt in Schalke leider wieder gesehen, dass das wirklich eine Katastrophe war, selbst in so entscheidenden Spielen.
Pal Dardai ist so ein Typ, der war als Spieler schon immer so, dass er so ein bisschen diese Kante war, diese robuste Defensiv-Kante. Genau so ist es in seiner Trainerphilosophie auch. Und dem geschuldet, dass die Defensive sehr, sehr gewackelt hat, glaube ich, wird er da erst mal das Augenmerk darauf legen.”
Wobei er uns im Interview gesagt hat, er würde eben auch auf Offensive setzen wollen. Denn klar ist die Stabilität hinten erst mal wichtig, aber da geht ja nach vorne auch so wenig.
“Ja, klar, es bringt jetzt nichts, wenn man die ganzen Spiele jetzt 0:0 spielt, weil man sagt, wir haben hinten noch defensiv überragend gestanden und kein Tor mehr kassiert. Wenn man vorne keins schießt, dann bringt einen das auch nicht weiter, das ist schon klar.
Er wird natürlich versuchen, ein Mittelmaß zu finden. Aber wenn man sich das anschaut, natürlich auch systemtechnisch, was Hertha die letzte Zeit gemacht hat, denke ich, wird es wichtig sein, dass er auf jeden Fall erst mal wirklich die Defensive stabilisiert und dann zu sehen, was vorne möglich ist und möglich sein muss.
Keine Frage, dass Handlungsbedarf in beiden Mannschaftsteilen besteht. Da braucht man sich nicht drüber zu streiten. Aber wie gesagt, ich glaube, dass man durch eine gesunde und wirklich gut stehende Defensive dann auch nach vorne die offensiven Qualitäten ausbauen kann.”
Max Nicu, wenn wir die Hertha anschauen: An dieser runzligen alten Dame versuchen jetzt schon seit Jahren wechselnde Ärzte ein Facelifting, und am Ende humpelt sie trotzdem noch so über die Straße, dass man eigentlich nur sagen kann: “Mama Mia! Wie soll das weitergehen?” Nenn uns doch mal die Gründe. Was ist da los? Was läuft da falsch?
“Ja gut, da müsste man schon sehr tief graben. Ich habe natürlich auch mal reingehört, was ich auch vorhin kurz erwähnt hatte, gerade in die Fan-Szene, bei den Leuten, die da auch wirklich dem Verein noch sehr, sehr verbunden sind.
Das fängt schon damit an, dass man immer wieder diese Unruhen hatte, was den Präsidenten angeht und so weiter. Jetzt haben sie natürlich etwas mit Gegenbauer versucht, dann war die Geschichte mit Fredi Bobic und so weiter und sofort. Man hat einfach nicht diese Konstanz drin, gerade in diesen Positionen, die man sich wünschen würde.
Also klar, Gegenbauer war zum Beispiel sehr, sehr lange Präsident, auch zu meiner Zeit noch tatsächlich. Da ist dann einiges nicht mehr ganz rund gelaufen, da waren viele Machenschaften am Laufen. Das kann man auch so ansprechen.
Jetzt haben sie natürlich mit Bernstein jemanden geholt, wo man sich eben gedacht hat: Okay, der kommt von uns, der war mal Ultra, der ist einer von den Fans. Da ist jetzt allerdings die Stimmung auch so ein bisschen am Kippen. Also, das ist auch nicht so, dass man fragt, ist das denn das Richtige, die richtige Entscheidung, der richtige Weg gewesen, was am Anfang eben schon so ausgesehen hat. Da fängt es schon mal an mit dem Umfeld.
Dann hat man natürlich auch Probleme in den sportlichen Positionen. Arne Friedrich war eine Weile da, mit dem ich auch noch zusammengespielt habe, wo ich weiß, dass er von der Kompetenz her sicherlich sehr, sehr gut ist. Wo dann aber auch zu viele Köche wieder dabei waren, die das Ganze ein bisschen verdorben haben.
Und am Ende muss man einfach sagen, so ehrlich muss man auch sein, die Qualität, die dann immer eingekauft wurde, auch was die Spieler angeht, war dann eher so ein bisschen individuell. Man hat immer das Gefühl gehabt, da war nicht wirklich ein Team auf dem Platz. Für einen Trainer ist es dann auch sehr, sehr schwierig, da eine Einheit daraus zu machen.
Wenn ich an meine Zeit in Berlin zurückdenke, da waren auch Jungs dabei, so wie ich, die aus der 2. Liga kamen, oder ein Marc Stein, der ein bisschen No-Name war, da hat das als Mannschaft aber irgendwie funktioniert. Lucien Favre hat es dann irgendwie geschafft damals, das so ein bisschen zusammenzuhalten und eben auch den Jungs, die den Unterschied auf dem Platz gemacht haben, einem Andrej Voronin oder auch Marco Pantelic, irgendwo ihren Freiraum zu lassen, so dass die dann eben ihre Leistung gebracht haben, aber das Mannschaftsgefüge gepasst hat.
Und dieses Gefühl hat man jetzt in Berlin schon länger nicht. Da werden teilweise auch, sage ich jetzt ganz offen, personelle Entscheidungen getroffen, oder auch Leute gekauft und geholt, wo ich es verstehen kann, aus der Sicht der Jungs, dass sie das machen, weil die Verträge sicherlich sehr gut dotiert sind.
Aber man hat nicht wirklich das Gefühl, dass da das Mannschaftsgefüge passt. Das ist dann schwierig für einen Trainer. Ich kenne Sandro Schwarz auch sehr gut. Er ist, glaube ich, ein bisschen zu viel Kumpeltyp. Er hat ein bisschen zu sehr versucht, die Jungs bei Laune zu halten und gesagt, ich bin eben dieser Kumpeltyp, wo dann aber ein Stück weit die Autorität vielleicht gefehlt hat am Ende.
Das ist auch das Problem gewesen in den letzten Jahren, dass es kein Trainer geschafft hat, dann am Ende seinen Fußball, seinen Stil durchzudrücken und dass da wirklich alle mitziehen und alle an einem Strang ziehen, und das spiegelt sich dann eben jetzt leider in dieser Situation wider.”
Soll heißen, Max Nicu, da ist praktisch alles in Schieflage geraten bei der Hertha. Die Qualität, um nicht abzusteigen, haben sie die, oder sehen Sie die Hertha als heißen Abstiegskandidat?
“Das Positive an der Geschichte ist, dass die Situation eben nicht aussichtslos ist. Es sind wenige Punkte, die die Mannschaften unten trennen.
Man muss jetzt aber natürlich auch liefern, weil auch eine Mannschaft wie Stuttgart, wie man jetzt auch gesehen hat, die können Ergebnisse liefern. Die Qualität an sich ist schon da, deswegen auch der Trainerwechsel jetzt mit Pal Dardai. Ob das dann funktioniert, Statistik hin oder her, wird man dann sehen. Aber das war unvermeidlich.
Die Qualität ist da definitiv. Was ich mir wünschen würde, falls es dann klappt, dass sie die Klasse halten können, ist, dass man eben aus den Fehlern auch irgendwann mal lernt.”
Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, so richtig überzeugt sind Sie nicht, dass die Hertha es schaffen wird.
“Es hängt wirklich sehr stark davon ab, was Pal Dardai jetzt auch macht. Ich habe ja auch von der Qualität der Spieler gesprochen. Ich will jetzt auch keine Namen nennen und so weiter.
Aber, ich sage es mal so, wenn man jetzt die gleiche Elf auf den Rasen schickt wie zuvor, in den letzten Wochen auch, oder mehr oder weniger die gleiche Elf, weiß ich jetzt nicht, ob man einfach nur mit der mentalen Geschichte, mit der Motivations-Geschichte so viel daran ändern kann, dass die Ergebnisse auf einmal stimmen.
Deswegen muss man damit arbeiten, was da ist, das ist richtig. Ich glaube, dass Pal Dardai schon die richtigen Worte finden kann, zumindest jetzt kurzfristig, so dass die Jungs Ergebnisse liefern können. Also ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht, aber ich sage es auch ganz offen: 100 Prozent überzeugt bin ich nicht. Nein!”
Max Nicu über 1860: “Nicht vor der Saison schon den Aufstieg ausloben. Einfach mal machen lassen.”
Jetzt noch eine Frage zu 1860 gegen Bayreuth in der 3. Liga, denn da spielt ein Verein, der Ihnen auch am Herzen liegt, 1860 München. Sagen Sie uns Ihre Meinung zum TSV 1860 München!
“Sie haben dieselben Themen, die in Berlin auch gerade aktuell sind, Trainerwechsel und so weiter. Ich denke, dass bei 1860 die Erwartungshaltung ähnlich hoch ist, wie in Berlin in der Bundesliga. Von dem her sind da auch Ergebnisse schuldig eigentlich.
Ich glaube, dass ’60 in dieser Saison schon auf dem auslaufenden Weg ist, um zu sagen, okay, wir stellen uns für die neue Saison auf. Geht aber ein bisschen in die Richtung, wie es in Berlin auch war.
Es liegt jetzt sicherlich nicht daran, dass ich mir nur diese Vereine ausgesucht habe, aber da ist natürlich eine sehr hohe Erwartungshaltung und sehr viel Unruhe im Umfeld. Ich glaube, dass 1860 eigentlich vom Potenzial und vom Umfeld nicht in die 3. Liga gehört, das ist auch klar. Aber sie benötigen da auch eine gewisse Konstanz.
Ich weiß auch, dass nach Neuzugängen geschaut wird, dass sich da auch personell aufgestellt werden muss.”
Also Konstanz bei 1860 München, das versuchen die Verantwortlichen schon seit 200 Jahren, das hat noch nie geklappt.
“Richtig, ja, das war zu meiner Zeit tatsächlich auch schon so, dass es leider nicht so gut geklappt hat damit, weil irgendwo die Erwartungshaltung ein bisschen zu groß ausgelegt wird, für das, was man leisten kann.
Das ist natürlich auch klar: Man spielt im Stadion an der Grünwalder Straße, und dann hat man volle Hütte da, und die Jungs müssen eigentlich liefern, und es klappt nicht, immer wieder. Das ist leider das Problem.
Ich glaube, jetzt mit dem neuen Coach könnte es funktionieren, wenn man ihn tatsächlich auch mal seine Philosophie machen lässt. Vielleicht auch mit dem einen oder anderen Neuzugang. Personell muss da auch ein bisschen verstärkt werden, damit das funktionieren kann.
Und dann vielleicht einfach mal nicht vor Beginn der neuen Saison gleich mal ausloben, dass wir jetzt die beste Mannschaft sind und aufsteigen müssen, sondern einfach mal wirklich machen lassen.
Vielleicht dauert des dann einfach auch mal zwei oder drei Jahre. Die Geduld sollte man einfach mal mitbringen, damit man dann auch irgendwann nicht mehr in der 3. Liga spielt.”
Okay, dann Ihr Ergebnis-Tipp für 1860 gegen Bayreuth?
“Dadurch, dass Bayreuth jetzt natürlich auch nicht so gut unterwegs ist, generell in der Saison, tippe ich auf ein 3:1.”
Vielen Dank, Max Nicu.
“Sehr gerne. Danke, Ciao!”
Interview: Carsten Fuß