Am Freitagabend steht das Hamburger Derby zwischen St. Pauli und dem HSV auf dem Spielplan der 2. Bundesliga. Es ist zugleich das absolute Topspiel zwischen Tabellenführer und -Zweitem.
Bestens in der Hansestadt auskennen tut sich Trainer Thomas Doll, derzeit im indonesischen Jakarta tätig. Als Spieler absolvierte er 83 Partien für den HSV und auch als Trainer war er beim Traditionsverein tätig.
In unserem Video-Format “Beidfüßig” spricht Doll exklusiv über das Hamburger Derby, seine Erwartungen an die beiden Trainer und warum er sich den HSV als Sieger des Spiels wünscht.
Thomas Doll vor Hamburger Derby: “Ich mag den Walter-Fußball”
Wettbasis: Ein ganz großes Spiel steht an, am kommenden Freitag. Hoch oben im Norden treffen sich St. Pauli und der HSV. Ein Stadtderby, Eins gegen Zwei, diese Konstellation gab es noch nie. Extrem spannend. Und dazu brauchen wir auch einen großen Gast, und den haben wir. Guten Tag, Thomas Doll.
Thomas Doll: Hallo. Schöne Grüße aus Jakarta.
Herr Doll, Sie sind gerade bei Persija Jakarta Trainer.
Genau. Ich bin ja vor eineinhalb Jahren nach Jakarta gekommen und es ist eine interessante Aufgabe. Letztes Jahr sind wir Zweiter geworden, mit einer sehr jungen Mannschaft. Diese Saison hinken wir ein bisschen hinterher, was auch damit zusammenhängt, dass wir den gewünschten Stürmer im Sommer nicht bekommen haben. Aber wir sind dicht an den Playoff-Plätzen dran.
Es geht natürlich um das Stadtderby, St. Pauli gegen den HSV. Sie haben, das wissen heute auch nicht mehr viele, als Sie 1991 zu Lazio Rom verkauft wurden, den HSV praktisch finanziell gerettet. Also zwischen dem HSV und Ihnen ist das eine sehr spezielle Beziehung. Sie haben Ihre Karriere auch dort beendet. Glauben Sie, dass sie am Millerntor eine Chance haben?
Sicherlich gehen sie nicht als Favorit ins Spiel. St. Pauli spielt eine überragende Saison. Seit der neue Trainer da ist, auch schon in der letzten Saison, haben sie unglaublich viele Spiele gewonnen. Sehr stabil, eine richtig gute Balance zwischen Offensive und Defensive. Sie haben nur elf Gegentore und der HSV hat sich nicht so mit Ruhm bekleckert, gerade bei den Auswärtsspielen.
Ich habe das letzte Spiel gesehen in Kiel, wo sie dann zum Schluss ins offene Messer gelaufen sind. Die haben ein schönes Brett vor der Brust, mit St. Pauli, die strotzen vor Selbstvertrauen. Dann natürlich die Atmosphäre am Millerntor, da muss man schon gewaltig was mitbringen.
Aber glauben Sie, weil Sie ja gesagt haben, Sie haben das letzte Spiel in Kiel gesehen und sie sind ins offene Messer gelaufen, dass Tim Walter wieder so offensiv agieren lassen wird? Das wirft man ihm ja oft auch vor, dass er einfach da keine Gnade kennt. Er zieht seinen Stiefel durch.
Nun, ich finde das ja gut. Ich habe das schon oft gesagt, aber ich mag den Fußball, den er spielen lässt. In Kiel, als das 2:2 gefallen ist, vielleicht dann auch mal wieder ein bisschen den Fuß vom Gas nehmen. Und wirklich dann vielleicht in den letzten Minuten versuchen durch eine andere Aktion zum Erfolg zu kommen.
Da sind sie brutal ausgekostet worden. Da kann man auch mal einen Punkt vielleicht mitnehmen. Ansonsten finde ich den Fußball interessant, den er spielen lässt. Der ist mutig, birgt natürlich ein bisschen Risiko, das ist ganz klar. Aber auswärts sind auch oft andere Tugenden gefragt. Zu Hause wird man oft auch begleitet vom Publikum. Sie haben ja immer eine fantastische Atmosphäre.
Ich bin wirklich gespannt, wenn diese beiden Systeme dort aufeinandertreffen. St. Pauli spielt ja mit der Dreierkette, der HSV mit der Viererkette und das wird schon interessant sein, auch vom Taktischen her.
Thomas Doll lobt Hürzeler, doch erwartet keine Trainer-Platzverweise
Jetzt haben wir schon einiges über Tim Walter erfahren. Fabian Hürzeler ist ja der Newcomer auf der Trainerbank schlechthin. Was macht ihn denn aus?
Erstmal hat er natürlich der Mannschaft, in einer Phase, wo es ihnen nicht so gut ging, Stabilität gegeben und dann eine Gewinner-Mentalität entwickelt. Alle Spieler wissen genau, was sie zu tun haben im Offensivbereich, im Defensivverhalten. Und er ist ja noch ein sehr, sehr junger Trainer.
Entschuldigung, da will ich kurz einhaken. Wie kann er das als so junger Trainer, gerade mal 30 ist er ja geworden, schon schaffen? Sie sind ja selber Trainer und können aus Ihrer Laufbahn erzählen. In diesem Alter haben Sie natürlich noch gespielt, aber am Anfang ihrer Trainer-Karriere, haben Sie da so einen Auftritt hingelegt?
Ich glaube, wenn man sich ständig mit Fußball beschäftigt, sich weiterbildet, dann die Möglichkeit vielleicht hat, im Nachwuchsbereich zu arbeiten, so wie Julian Nagelsmann das gemacht hat, dann ist das natürlich möglich. Ein gutes Auftreten, alle Jungs mit ins Boot nehmen, glaubwürdig sein.
Wenn man ein gutes Hintergrundwissen hat, dann nehmen dir die Spieler das auch ab. Und bei St. Pauli hat man den Eindruck, dass auch die Spieler, die reinkommen, genau wissen, was sie zu tun haben. Das ist natürlich die Handschrift vom Trainer und das macht er überragend. Sie sind ja nicht umsonst 19 Spiele ungeschlagen und Tabellenführer aktuell.
Er hat aus der Mannschaft was gemacht. Gute Zusammenstellung natürlich auch, zwischen richtig guten Kickern und zwischen Leuten, die in der 2. Liga natürlich auch auch mal dazwischen fegen können. Also das passt zurzeit, und das hat der Trainer geschafft. Das ist großartig, das zu sehen aus der Ferne.
Torsten Mattuschka hat gesagt, bei dem Spiel geht ein Trainer mit Sicherheit auf die Tribüne. Beides ja explosive Charaktere. Glauben Sie das auch?
Ich glaube, dass beide sich unter Kontrolle haben werden, denn die Mannschaft braucht sie da unten. Das ist ganz normal, aber sie werden sich sicherlich so verhalten, dass keiner von beiden auf die Tribüne geschickt wird. Das ist gut, man muss mitleben, die Spieler merken das auch draußen, wenn sie rausschauen. Aber ich denke, dass beide das Spiel beenden werden.
Wie endet das Hamburger Derby? “Wünsche mir, dass der HSV 2:1 gewinnt”
Wie viele Derbys haben Sie gespielt am Millerntor?
Als Spieler gar nicht, weil wir haben da im Volksparkstadion gespielt und da haben wir Gott sei Dank gewonnen, es war ja nur die eine Saison. Aber ich habe gute Erinnerungen als Spieler an St. Pauli. Also ich kann mich erinnern, wir haben mal das Spiel zu Hause 5:0 gewonnen und dann auch das zweite Spiel dann 2:0. Das war 90/91, als beide noch in der Bundesliga gespielt haben, da wo wir sie ja beide gerne wieder sehen würden, in der nächsten Saison.
Glauben Sie, die Wahrscheinlichkeit ist hoch oder wie viel Wahrscheinlichkeit würden Sie der ganzen Sache geben, dass sie beide aufsteigen?
Ja, die Wahrscheinlichkeit ist groß. Weil wenn man sieht, wie stabil St. Pauli ist, die werden lange, lange da oben bleiben. Mit 30 Punkten jetzt. Einige Mannschaften dahinter werden natürlich auch ihre Chance wittern, wie Düsseldorf oder Hannover.
Der HSV muss zusehen, dass er die Auswärts-Schwäche in den Griff bekommt und gerade gegen die Mannschaften, die vielleicht nicht ganz oben in der Tabelle sind. Dann wird das auch was, endlich, nach so langer Zeit, für den HSV. Aber ich denke, dass St. Pauli der Favorit ist, dass die da durchmarschieren werden.
Aber das ist natürlich für die Stadt Hamburg schon mal ein Novum, dass auf einmal der kleine Verein, also St. Pauli, den großen HSV überflügelt und vielleicht sogar in die Bundesliga aufsteigt, während der HSV weiter da unten rumkrebst.
Für alle HSV Fans, zudem sie ja schon jetzt in die sechste Saison gegangen sind, würde das natürlich noch mal einen Stich ins Herz geben, für alle HSVler. Aber wie gesagt, die Mannschaften, die da oben stehen, die haben es am Ende dann auch verdient.
Die Saison ist noch sehr, sehr lang, da kann noch unglaublich viel passieren. Aber die beiden Mannschaften, die werden sicherlich lange, lange oben dabei sein. Und ich hoffe natürlich, dass der HSV dabei ist.
Ja, dann müssen wir natürlich den Parade-HSV-Fan fragen. Thomas Doll, wie ist da Ihr Tipp?
Ich denke, dass das natürlich eine ganz, ganz schwere Aufgabe wird und St. Pauli auch der Favorit ist. Aber oft gewinnen ja nicht die Favoriten. Und deshalb würde ich mir wünschen, dass der HSV 2:1 gewinnt.