Nicht nur für spektakuläre Paraden war Gabor Kiraly bekannt, sondern natürlich auch für seine Jogginghose am Feld.
Für die ungarische Nationalmannschaft stand er gleich 108 Mal zwischen den Pfosten, davon waren vier Partien sogar gegen Deutschland, mit einem 2:0-Sieg darunter!
Ob er seinem Nationalteam hilfreiche Tipps bei ihren anstehenden Spiel gegen das DFB-Team geben kann, wo die Stärken und Schwächen beider Teams liegen, wie das Spiel ausgehen wird und vor allem wie es Adam Szalai nach seinem Zusammebruch geht, erklärt Kiraly in der Beidfüßig-Vorschau.
Gabor Kiraly über Ungarns Leistungen: “Riesenanteil von Adam Szalai”
Wettbasis: Deutschland hat 7:0 gewonnen. Ein überragender Auftritt, aber jetzt kommt die nächste Prüfung, nämlich in Ungarn. Experte hierfür ist natürlich Gabor Kiraly.
Gabor Kiraly: “Hallo, guten Tag.”
Die wichtigste Frage, wie geht es Adam Szalai? Er ist Mitglied der Trainergruppe bei Ungarn und in der siebten Minute kollabiert. Daraufhin musste er ins Krankenhaus gebracht werden. Also dramatische Minuten im Amsterdamer Stadion. Wissen Sie schon mehr?
Kiraly: “Ich saß vor vor dem Fernsehen, und es war ein richtiger Schock. Als Ex-Profispieler überlege ich sofort, wer wo sitzt, weil wir die ersten Momente gar nicht sehen konnten, wer die Probleme hatte. Vorher gab es eine Situation mit Flanke und dann Kopfballversuch im Spiel und der Ball geht raus und dann sofort war alles hektisch und wir wussten nicht, was passiert war.
Ich habe überlegt, wo sitzt der Zeugwart, wo sitzen die Ärzte, wo sitzt der Teammanager und wo ist diese Situation passiert? Das war in der Nähe vom Trainerstab, also Nähe Torwarttrainer, Teammanager, Co-Trainer. Also nicht irgendwo im Physio-Bereich, aber wir wussten nicht wer war genau betroffen. Dann haben wir alles gesehen und natürlich das ungarische Fernsehen war live dabei, der Moderator war live dabei.
Ex-Torwart Adam Bogdan war auch dabei und sie haben eine gute Information bekommen. Adam Szalai musste wiederbelebt werden, das war erfolgreich und dann haben sie ihn sofort ins Krankenhaus gebracht und am Abend, so um Mitternacht, hat Adam einen Post geschrieben: Dankeschön für die viele Nachrichten, aber mir geht’s gut.
Und das war eine sehr gute Nachrichten von seiner Seite für die Fans und für die Leute. Aber das war eine schwierige Situation.”
Sie haben mit Sicherheit auch noch Kontakte zum Trainerstab der ungarischen Nationalmannschaft. Geht es ihm jetzt gut? Also kann man sagen, es ist Entwarnung gegeben, ist er außer Lebensgefahr?
Kiraly: “Seine Situation ist stabil und mehr kann man nicht sagen. Vielleicht heute oder morgen werden einige Information rauszukommen. Aber Gott sei Dank ist die Situation nicht mehr ganz so schlimm, sie ist besser geworden und das ist sehr wichtig.”
Dass Deutschland Favorit ist, kann man schon sagen. Auch das Hinspiel war ja sehr deutlich. Glauben Sie diese Diskrepanz in der Leistung liegt an der Qualität der deutschen Mannschaft, oder weil die Ungarn gerade so schlecht sind?
Kiraly: “Beides. Ungarn war sehr gut ein Jahr lang, sie waren unschlagbar und die EM war dann ein richtiger Tiefpunkt meiner Meinung nach. Und Deutschland war vor einem Jahr war ein bisschen im Tief, sind aber da sehr gut rausgekommen. Gutes Timing gehabt bei dem EM und sie sind auf einem guten Weg.
Ungarn ist eigentlich auch wieder gut auf die Spur zurückgekommen. Ich denke, das war ein Riesenanteil von Adam Szalai, weil er ist seit zwei Spielen wieder bei der Nationalmannschaft als Co-Trainer. Der Trainer hat etwas gemerkt bei der Mannschaft und Marco Rossi hat Adam zurückgeholt und das hat super funktioniert.
So ein Unentschieden gegen die Niederlande in Ungarn, das war super und wir hätten auch gewinnen können. Gegen Bosnien haben wir gewonnen, das war auch super. Gegen die Niederlande zuletzt hätten wir in den ersten fünf Minuten drei Tore schießen können, da gab es die Riesenchance für Ungarn, aber wir haben es leider verpasst. Und dann in dieser 7., oder 8. Minute gab es diese schreckliche Situation mit Adam Szalai und da sind wir nicht so gut zurückgekommen.
Die Spieler haben entschieden, weiter zu spielen und dann wurde sofort der Hand-Elfmeter per VAR gegeben und den hat der niederländische Spieler reingemacht. Das war ein großer Schock, erst über Adam und dann der Elfmeter gegen Ungarn. Das war nicht so einfach. Trotzdem hat Ungarn weiter nach vorne gespielt.
Sie haben versucht, Charakter zu zeigen, aber das war nicht so einfach und das hat auch der Gegner gespürt. Dieses Spiel war ein bisschen anderes als normal. Aber ich denke, die ungarischen Spieler sind auf einem guten Weg.”
Also Sie betonen auch noch einmal, dass die Rückkehr von Adam Szalai, der jetzt Marco Rossi unterstützt, schon auch ein wesentlicher Schritt nach vorne war. Insofern ist die Bedeutung dieses Zwischenfalls ja noch einmal größer geworden. Glauben Sie, dass jetzt gegen Deutschland viele Tore fallen werden?
Kiraly: “Die ungarische Abwehr wird stabil sein, das ist sicher. Und sie werden mit Geduld spielen. Wenn sie den Ball erobern, dann werden sie auch schnell nach vorne gehen, das ist sicher.
So haben sie es auch gegen die Niederlande versucht und sie haben Mut, auch nach vorne zu gehen. Also sie haben keine Angst gegen eine starke Mannschaft ein Tor zu schießen oder gefährlich zu sein, aber natürlich, Deutschland ist Favorit, das ist ganz klar.
Es lastet aufgrund der Gruppe nicht so ein großes Gewicht auf den Schultern, aber das kann auch vielleicht für einige Spieler von Nachteil sein, weil einige Spieler vielleicht unter Druck besser funktionieren, als ohne Druck. Das kann auch sein.
Ich hoffe, es wird ein gutes Spiel und ich hoffe, es gibt gute Unterstützung von ungarischer Seite. Aber ich sage immer, die bessere Mannschaft muss gewinnen. Man kann auch sagen, drei Tore würden okay sein, aber ich denke im ganzen Spiel, da können drei Tore passieren.”
Jetzt gibt es in der deutschen Nationalmannschaft das Torwart-Thema und da sind Sie ja nun wirklich der beste Ansprechpartner. Ter Stegen ist die Nummer eins, aber wir wissen nicht, wann er zurückkommt, deshalb sind jetzt eben aktuell drei Torhüter eingeladen. Baumann hat gespielt in Freiburg. Jetzt wird wahrscheinlich Nübel reinkommen gegen Ungarn und Ortega ist auch noch dabei. Wen favorisieren Sie als die Nummer eins in Deutschland?
Gabor Kiraly: “Es ist immer schwierig in solchen Situationen, aber ich würde sagen, es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder sie sehen es wie ein Freundschaftsspiel, aber Länderspiel ist Länderspiel, da kann man auch einen jungen Torwart ausprobieren.
Oder eben einen erfahrenen Torwart als Sicherheit spielen zu lassen. Also das ist Wahl und der Trainer muss das entscheiden. Wir sind Fans, wir sind Zuschauer. Der Trainer soll entscheiden über seine Strategie, über seine Struktur.
Es gibt viele deutsche junge Torhüter, da kann auch langsam einer nach vorne treten und mindestens dritter, vierter oder fünfter Torwart bei der Nationalmannschaft sein.”
An wen denken Sie da?
Kiraly: “Jetzt momentan verfolge ich die deutschen Torhüter nicht so, wie ich es machen sollte, weil ich einen anderen Beruf jetzt mache und da ist immer viel zu tun. Aber ich denke zu 100 Prozent, dass es jüngere Torhüter gibt, weil bei Deutschland war das immer so.
Einer muss einen Schritt nach vorne kommen, besonderes weil Manuel Neuer nicht mehr da ist. Die neue Nummer eins ist jetzt momentan verletzt, deswegen müssen langsam die jungen Torhüter kommen und die Torhüter müssen dann auch spielen. Das ist sehr wichtig, weil wenn ein erfahrener Torwart, zum Beispiel Oliver Baumann, jetzt ein halbes Jahr nicht spielt, kann er mit seiner Erfahrung auch bei der Nationalmannschaft sofort einspringen.
Aber ein junger Torwart braucht Erfahrung und braucht Spielpraxis. Das ist meine Meinung über die die jetzige Situation. Sie ist nicht so einfach, aber wie gesagt, das ist nicht so ein wichtiges Spiel für Deutschland, da kann man auch einen jungen Torwart oder viele junge Spieler ausprobieren.
Aber der junge Torwart muss auch Sicherheit geben, weil wenn das nächste Spiel kommt, dann bleibt das im Kopf hängen. Wenn ein junge Torwart spielt und ist unsicher, dann kann das im nächsten Spiel ein Nachteil sein.”
Wen sehen Sie jetzt vorne, Baumann oder Nübel?
Kiraly: “Ich denke aufgrund der Erfahrung Oliver Baumann.”
Sie sind ja nun auch lange genug im Geschäft. Wie würden Sie denn jetzt als Ungarn-Verantwortlicher den Abend angehen gegen die Deutschen?
Kiraly: “Sie haben gegen Holland das Spiel sehr gut angefangen und wenn sie das gegen Deutschland auch so machen, werden sie hundertprozentig Tore schießen. Das ist ganz klar und besonders Adam Szalais Situation, die Mannschaft hat gestern entschieden weiter zu spielen für Adam, für seinen Charakter, wird noch mehr Kraft geben, um gegen Deutschland ein super Spiel absolvieren, auch für die Fans.
Es wird nicht so einfach für Deutschland. Aber natürlich, wir wissen auch, Deutschland ist in guter Form. Sie schießen viele Tore. Aber wie gesagt, ich glaube an die ungarische Mannschaft im Heimspiel. Adam Szalai ist zurückgekommen zur Nationalmannschaft als Co-Trainer, jetzt war dieser schreckliche Vorfall und trotzdem gibt das insgesamt Kraft für die ungarischen Spieler, um noch mehr zu investieren gegen Deutschland.”
Gerade das Thema Tim Kleindienst bei Deutschland ist ein wirklich überraschend großartiges. Der hat den ganz langen Weg genommen, bis in die Nationalmannschaft. Sehen Sie ihn auch als den kommenden Mittelstürmer?
Kiraly: “Wir sprechen über einen jungen Spieler. Er muss noch viel Erfahrung sammeln und es ist auch sehr wichtig im Fußball, wenn die Gegner seine Stärken kennen, wird es auch für ihn schwierig und über diese Situation muss er auf die nächste Stufe kommen.
Das ist ganz klar, wenn jemand sich entwickelt, dann kommt auch ein Gegner, der es für ihn ein bisschen schwieriger macht. Aber da muss er keine Angst haben, sondern einfach die nächste Lösung finden. Das ist für die Spieler sehr wichtig. Sie zeigen die Qualität, das ist alles super, aber wenn dein Gegner dann richtig vorbereitet ist auf dich, dann gibt es auch Schwierigkeiten.
Wie er dann aus diesen Schwierigkeiten rauskommt, das ist die Qualitäts-Frage. Wie gesagt, Ungarn hat super gespielt ein Jahre lang, natürlich hat jeder Gegner Ungarn analysiert und genau bei der EM alles im Kopf umgestellt.
Deswegen muss ein Spieler sich immer verbessern, Dinge neu machen, immer kreativ sein und das wird in der Karriere von Kleindienst ein wichtiger Punkt.”
Werden Sie im Stadion sein?
Kiraly: “Nein, leider nicht. Aber ich verfolge übers Fernsehen dieses tolle Spiel. Ich bin ganz selten im Stadion, weil ich immer viel zu tun habe. Aber trotzdem, manchmal wenn ich mit dem Motorrad Richtung Budapest fahre, dann gab es schon die Situation, dass ich auch zum Spiel gekommen bin.
Aber sonst, ich lebe mein Leben. Ich schaue natürlich die Spiele der ungarischen Nationalmannschaft. Ich drücke die Daumen vor dem Fernseher, das ist, was ich tun kann.”
Dann noch Ihr Ergebnis-Tipp für dieses Spiel bitte.
Gabor Kiraly: “Ich hoffe auf viele Tore, aber von ungarischer Seite und ja, ich drücke die Daumen für die ungarische Mannschaft. Auch für Adam Szalai einen Sieg, dass wir einen schönen Abschied von diesem Jahr und dieser Gruppenphase erleben.
Ich denke, Deutschland kann auch mit einer Niederlage leben, das beendet die Qualität der deutschen Mannschaft nicht und ich tippe, obwohl ich nie tippe, auf einen ungarische Sieg. 3:2!”