Die Serie von vier Clásicos innerhalb von 18 Tagen ist Geschichte. Real Madrid und der FC Barcelona haben sich in den letzten drei Wochen in der Liga, im Pokalfinale und in Hin- und Rückspiel in der Champions League gegenüber gestanden. Die vorher angenommene große Überlegenheit der Katalanen hat sich nicht bestätigt: Drei der vier Spiele endeten nach 90 Minuten Unentschieden. Letztlich holte sich der FC Barcelona mit dem Unentschieden im Santiago Bernabeu in der Primera Divisíon praktisch den Meistertitel und Real Madrid mit dem Sieg in der Verlängerung durch ein Tor von Cristiano Ronaldo den spanischen Pokal (Copa del Rey). In der Champions League setzte sich Barca durch einen Sieg im Hinspiel in Madrid (2:0) und ein Unentschieden im eigenen Stadion (1:1) durch.
"Ich habe mehr von Barca erwartet, um ehrlich zu sein. Das war nicht der fröhliche Offensivfußball aus dem letzten oder noch eher aus dem vorletzten Jahr. Das war viel taktischer, irgendwie im negativen Sinne überlegter und berechneter. Irgendwie ungewohnt ergebnisorientiert, statt mit Spektakel zu überzeugen.", begann Guido.
"Besonders das letzte Spiel hat gezeigt, dass es Real Madrid geschafft hat, sich auf Barcelona einzustellen. Mit jedem Spiel haben sie mehr gelernt, auch wenn sie nicht alle Lehren in die Tat umgesetzt haben.", antwortete ich.
"Welche Lehren meinst du?", sagte Guido.
"Im Pokalendspiel – also dem zweiten Clásico – spielte Madrid eine hervorragende erste Halbzeit und konnte sich auch über weite Strecken der zweiten Halbzeit behaupten. Statt diese erfolgreiche Taktik fortzuführen, versuchte man den Gegner abermals zu überlisten, in dem man komplett auf Fußball verzichtete, und das eigenen Offensivspiel zu 100% gegen eine geballte Defensive eintauschte – wohlgemerkt im Hinspiel im eigenen Stadion.", sagte ich.
"Das Hinspiel in der Champions League – das dritte Clásico – war schon arg langweilig zu Beginn. Später wurde es interessanter. Ich bin immer noch der Meinung, dass Pepe zurecht vom Platz gestellt wurde, da es vollkommen unwichtig ist, ob es nun einen Kontakt gibt oder nicht. Alleine dieses Einsteigen muss einen Platzverweis mitsichbringen., meinte Guido.
"Du kannst dir denken, dass mit dem 1:1 im Rückspiel jetzt vorgerechnet wird, dass ein 0:0 im Santiago Bernabeu gereicht hätte.", gab ich zu Bedenken.
"Ja, solche hypotetischen Berechnungen sind totaler Quatsch, aber nun gut. So ist das nun mal, man findet immer einen Weg, wie alles hätte passen können.", sagte Guido und fuhr fort: "Und bevor du das Tor von Gonzalo Higuain erwähnst: Es war in meinen Augen richtig es abzupfeifen. Denn die allgemeine Meinung ist falsch. Es gab nicht – wie viele meinten – zwei Optionen für den Schiedsrichter, sondern eine richtige Dritte."
"Ich verstehe nicht.", sagte ich.
"Nun, die Situation ist folgende: Ronaldo tritt an, läuft an Pique vorbei, dieser kommt von der Seite und berührt den Portuguiesen. Ronaldo fällt auf das Bein von Mascherano, dieser fällt auch hin. Higuain nimmt den Ball auf und überwindet Valdez ins lange Eck, richtig?", fragte Guido.
"Richtig.", antwortete ich.
"Gut. Man kann die Situation auf drei Wegen interpretieren: 1. Es gibt kein Foul von Pique an Cristiano Ronaldo, aber ein Foul an Mascherano, daher muss es Freistoß für Barca geben. 2. Es gibt weder ein Foul an Ronaldo noch von Ronaldo und somit Tor für Madrid. 3. Pique foult Ronaldo, der Schiedsrichter lässt aber Vorteil laufen. Genau bei dieser dritten Variante kommt der entscheidene Punkt, denn wenn er wirklich Vorteil laufen lässt, dann nur solange, wie es kein Foul von Ronaldo an Mascherano gibt. Und in meinen Augen gibt es dieses Foul auf jeden Fall. Ob man die Aktion von Pique abpfeiffen muss, weiß ich nicht, aber Ronaldo foult Mascherano klar, auch wenn der Spieler von Barcelona etwas gewollt zu Boden sinkt.", argumentierte Guido.
"Das ist Ansichtssache. Ich glaube, dass es Foul von Pique an Ronaldo ist, aber Mascherano fällt mir zu theatralisch, auch wenn er gefoult wird. Er wäre problemlos per Grätsche vor Higuain am Ball gewesen. Ich denke, hier auf Tor zu entscheiden, wäre falsch gewesen.", sagte ich.
Unabhängig vom Resultat ist es beiden Mannschaften zumindest gelungen, das Bild vom spanischen Fußball ein wenig zu säubern. Nachdem das Hinspiel international für negative Schlagezeilen bezüglich der Unsportlichkeit beider Mannschaften gemacht hatte, verlief das Rückspiel weitestgehend fair und im Verhältnis ruhig. "Game of Shame" hatte es in der englischen Presse nach dem Hinspiel gehießen. Nun werden immerhin die Reaktionen etwas gelassener ausfallen, obgleich Spanier immer dazu neigen, in allem irgendwo einen Fehler des Schiedsrichters zu finden.
Faktisch hat der Fußball zu wenig vom Kuchen der vier Clásicos abbekommen. Hass, Schauspiel und Nachrede haben den Ball zu häufig ins Aus gedrängt.
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