Die Saison ist im vollen Gange. Seit diesem Wochenende beginnt sich fast schon der Blick auf die Tabelle zu lohnen – so hört man zumindest aus Mainz und Hannover. Nach dem zweiten Spieltag stellen sich beim gemeinen Fußballfan zwei Gefühle ein: Die Freude über den Beginn der neuen Saison einerseits und andererseits die Vorfreude auf eine noch lange andauernde fußballersichere Hochphase. Denn wenn man die Saison geschickt zur Seite schiebt, die Finalspiele und Meisterfeiern aus dem Weg räumt, dann kann man am äußersten Ende des Horizontes sogar die ersten Ausläufer der Europameisterschaft erkennen. Wahrlich eine heile Welt.
Weniger heil, sondern viel turbulenter geht es im Tagesgeschäft des Lederballs zu. Zugegebenermaßen ist es eben diese Turbulenz, die unser Interesse schürrt und unsere Informationssucht auf fußballerischer Ebene nährt. In dieser wechselhaften Sportwelt braucht es klare Positionen. Helden und Feindbilder. Gewinner und Verlierer.
Nicht selten ist es zu beobachten, dass eine Spielfigur in diesem Geschäft schneller als gedacht die Seiten wechselt. Vom Heldenstatus zum Feindblid, vom Gewinner zum Verlierer.
Auf der verlierenden Seite ist an diesem zweiten Spieltag eine Mannschaft angekommen, die es in der Fußball Bundesliga in Deutschland ohnehin schwer hat: 1899 Hoffenheim. "Faszinierend wie man als Verlierer da stehen kann, obwohl einen die Anzeigetafel als Sieger ausgibt.", kommentierte Guido. Die TSG 1899 Hoffenheim hatte durchaus überraschend gegen den amtierenden Meister aus Dortmund gewonnen. Die Blau-Weißen aus dem Rhein-Nekar Gebiet stehen trotzdem irgendwie als Verlierer des Spieltags da. Schuld hat eine hölzerne Konstruktion, die unter dem Block der mitgereistens Gästefans immer dann einen ohrenbetäubend hohen Ton von sich gab, wenn die Dortmunder Anhänger gegen Dietmar Hopp sangen.
"Die Hoffenheimer haben sich ja sofort als absolut schuldfrei ausgegeben. Selbst, wenn sie von der Aktion gewusst hätten: Sie hätten sie geduldet.", unterstellte Guido und wetterte weiter: "Auch der Hopp und seine Bruderschaft bestehen nur aus Menschen. Die sind nicht vom menschlichen Hass und Rachegelüsten freizusprechen. Der Fußball sollte solche Gefühle zwar sportlich kanalisieren und wenn möglich auf 90-Minuten-Feindschaften begrenzen, leugnen kann man sie jedoch nicht."
"Ist das alles Intuition oder basiert das teilweise auch auf Fakten?", fragte ich und war mir ebenso darüber im Klaren, dass ich ihn mit meiner Wortwahl provozieren würde, wie, dass er darauf anspringen würde. "Fakten? Mehr als Fotos von diesem Gerät kann ich dir nicht bieten. Und einige Fans klagen über beginnenden Tinitus…", sagte Guido.
"…kein Wunder bei 90 Minuten Schmähgesängen.", unterbrach ich Guido süffisant. Dieser war nun ganz oben auf der Palme angekommen. "Jetzt hör mal zu, du weißt doch genau wie ich das meine. Der Typ kauft sich einen Klub, samt Einzugsgebiet, wie ich es nur in einem Fußballmanager aus dem letzten Jahrhundert mache, geht dann auf Einkaufsour in Afrika, Brasilien und sonst wo nicht überall, und verlangt dann, dass ich ihn mag?" Guidos Stimme wurde entschiedener und in ihrer Lautstärke überredender. NIcht überzeugender, aber überredender.
"Das hat er doch gar nicht verlangt.", antwortete ich.
"Er verlangt, ihn nicht zu hassen. Ihn nicht zu hassen bedeutet ihn zu mögen. So einfach ist das. A oder B. Meister oder nicht. Es gibt nur das eine oder das andere. Das ist Fußball. Man kann nicht gleichzeitig Schalker Ultra sein und bei Bayern im Tor stehen.", sagte Guido.
"Du driftest ab.", äußerte ich mahnend.
"Seine Antwort auf die Beschwerde der Dortmunder gleicht beinahe einem Schuldbekenntnis. Nicht, dass er sich schuldig fühle, sondern, dass er die Aktion unterstütze. Das schwingt mit. Zwischen den Zeilen.", Guido hielt kurz inne, "Ich mag ihn nicht, diesen Hopp."
Gerade als er zu einem neuen Gedanken ausholte und noch bevor das mit einem magischen Dunst umschlugene Wort "Tradition" fiel, beendete ich unser Gespräch.
Ich kenne die Vorbehalte, die gegenüber dem kleinen, beschaulichen Fußballdorf aus der Nähe von Hoffenheim gehegt werden. In diesem Sommer bin ich dort hin gefahren und habe das Trikot der TSG anprobiert.
Es passt mir nicht. Es drückt an allen Ecken und Enden.
Bei Guidos Guide geht es jeden Dienstag um den letzten Bundesliga-Spieltag, den internationalen Fußball, sowie um aktuelle Stammtischthemen, die sich mit dem Lederball beschäftigen. Und natürlich Guidos Meinung.