“Guido, was soll das? Ich versuche dich seit zwei Tagen zu erreichen und du meldest dich nicht. Ich bin wirklich nicht der Typ, der sich Sorgen macht. Schon gar nicht bei dir. Mittlerweile ereilen mich aber Horrorszenarien. Meld dich!” Hieß es in meiner SMS an Guido am späten Dienstagabend. Ich muss zugeben, dass es mir an diesem Abend schwer fiel einzuschlafen. Immer wieder schwirrten dieselben Bilder durch meinen Kopf. Bilder, die einen nicht loslassen. Sobald ich die Augen schloß wurde es schlimmer. Irgendwann – es muss zu einer Zeit gewesen sein, als mein Körper eigentlich schon mit einer Tiefschlafphase eingeplant hatte – schlief ich dann ein.
Es ist kein angenehmes Gefühl um Vier Uhr morgens angerufen zu werden. Schon gar nicht, wenn man schläft. Noch weniger, wenn man erst kurz zuvor eingeschlafen ist. Bevor ich dran gegangen bin mischten sich in mir unzählige Launen: Die Sorge um einen Freund, die Angst vor einer schlechten Nachricht und die Behutsamkeit, nicht reingelegt werden zu wollen, wechselten sekündlich die Podestplätze.
Guido war es persönlich. Ich konnte seine Fahne riechen, während er sprach.
“Ich bin am Ende.”
– “Du bist betrunken.”
“Am Ende. Es klappt gar nichts mehr. Alles geht schief.”
– “Dieser Abend scheint doch hervorragend geklappt zu haben.”
Ich war nicht in der Stimmung Guido aus einem jämmerlichen Tal der Tränen zu hieven. Nicht um Vier Uhr nachts. Nicht, nachdem ich Stunden lang wach gelegen hatte, während er sich scheinbar richtig hatte voll laufen lassen.
“Irgendwer verfolgt mich.”
– “Wer verfolgt dich?”
“Ich weiß nicht, irgendwer ist hinter mir her.”
– “Wie lange schon?”
Ich begann ihn Ernst zu nehmen.
“Seit zwei Wochen.”
Ich nahm ihn nicht mehr Ernst.
“Ich bin sein Ziel. Ich kann es spüren. Er schleicht mir hinterher. Manchmal bleibe ich in einer Nische stehen oder verstecke mich hinter einer Mauer, aber er findet mich immer wieder. Ich glaube er kann meine Spur riechen.”
– “Guido?”
“Er setzt Zeichen. Er will mir zeigen, dass er da ist. Den Levan, den hat er schon. Hast du es gesehen, hast du es gesehen?”
Guido winselte ins Telefon und ich konnte sehen, wie er in einer nasskalten Ecke einer unbeleuchteten Seitengasse zusammensackte. Außer dem schwachen Flackern einer entfernten Straßenlaterne trotze in meinem Zimmer niemand der Nacht.
– “Was ist mit Levan?”
“Er hat ihn und mich wird er auch bekommen. Er setzt Zeichen. Erst holt er sich Christoph, dann Levan und jetzt hat er auch noch…”
– “Auch noch wen?”
“Auch noch meine letzte Bastion gestürmt: Er hat Andre!”
Guido weinte jetzt aus vollen Zügen.
– “Was wird er tun? Was denkst du wird er tun?”
“Er wird sie leiden lassen. Zu elft, zu vierzehnt. Egal was ich tue es wird nichts bringen. Sie werden leiden. Die 74244 um sie herum, wird er genauso behandeln. Was soll ich tun? Sie werden alle leiden und ich werde geopfert. Ich kann es schon sehen. Es wird wieder passieren.”
– “Wieder? Wann ist es den schon mal passiert?”
“Im letzten Jahr.”
– “Wo?”
“In Frankfurt.”
Guido legte auf.
Erleichtert sagte ich noch zu meinem Handy: “Guido, dir liegen einfach die Rückrunden nicht.” Und schlief ein.
Bei Guidos Guide geht es jeden Dienstag um den letzten Bundesliga-Spieltag, den internationalen Fußball, sowie um aktuelle Stammtischthemen, die sich mit dem Lederball beschäftigen. Und natürlich Guidos Meinung.