Die fehlende Perspektive war der Grund, warum Markus Babbel seinen Vertrag Berlin nicht verlängern wollte. Erst ein Jahr zuvor hatte er einen Trümerhaufen übernommen mit der Vision diesen Verein zunächst in die erste Liga zu führen und schließlich aus ihm die Alte Dame zu machen, die vor nicht all zu langer Zeit noch um die internationalen Plätze in Deutschlands höchster Spielklasse mitspielte. Diese Vision ging schneller verloren als das ein Außenstehender hätte vermuten können.
“Dass er geht, wenn er nicht aufsteigt, hätte man vielleicht noch nachvollziehen können, aber direkt nach einem furiosen Aufstiegsjahr die Biege zu machen, halte ich für fragwürdig.”, sagte Guido und fügte hinzu, “da steckt doch mehr dahinter.”
Den gleichen Gedankengang hatten auch die Berliner sowie die nationale Presse und interpretierten bis an die Grenzen des Unmöglichen, was den hätte passieren können. Jetzt, im Nachhinein, weiß man mehr. Man weiß nicht mehr, aber man vermutet deutlicher. Eine der ohnehin schon plausibelsten Versionen hat sich nach den Ereignissen der letzten Tage bestätigt.
“Das war doch ein abgekartetes Spiel. Babbel und Berater waren sich sehr bewusst, dass finanziell lukrativere Clubs in der Krise steckten. Vor allem aber wuschen sie das Gesichts des einstigen Hertha-Trainers rein, indem sie die Öffentlichkeit so täuschten, dass es der Verein war, allen voran Michael Preetz, der sich die Finger schmutzig machte. Letztlich ließen sie den Manager, unerfahren, ins offene Messer laufen. Die Alte Dame war nicht mehr Trumpf.”, resümierte Guido in einem weisen Ton, wie ihn sonst nur Menschen über 70 in einem Sessel sitzend erzeugen können.
Plausibler wird das Ganze, wenn man sich den neuen Job von Markus Babbel anschaut. Holger Stanislawski saß noch mit einer Backe auf der Trainerbank da war Babbel schon da. Vermutlich nicht mit mehr Perspektive, aber mit wesentlich mehr Geld. Siebter, Elfter, Elfter: Die Bilanz von Hoffenheim schreit nahezu nach Mittelmaß. Babbel ist vermutlich immer noch auf der Suche nach der Gelegenheit in München zu trainieren.
“Bis dahin nimmt er die Kohle mit. Das wird ihm heutzutage von immer weniger Leuten übel genommen. Einen Verein, eine Stadt und treuste Fans zu verraten steht in der Fußballkultur aber immer noch unter höchster Strafe.”, sagte Guido.
“Was kommt nach Hoffenheim?”, fragte ich.
Guido antwortete ohne zu Zögern: “Als nächstes geht Babbel zu irgendeinem aufgekauften Scheichsclub und trainiert Carlos Tevez, Jason Terry, Cristiano Ronaldo, Demba Ba, Mario Balotelli, Samuel Etoo, Nicola Anelka und Pepe. Problematisch wird nur die Amtsübernahme – Jose Mourinho wird sich die Butter nicht so leicht vom Brot nehmen lassen.”
Bis dahin ist Babbels einziges Problem, seine eigene Tradition, denn für ein Tattoo von 1899 Hoffenheim waren sich bisher sogar Präsident und Platzwart zu schade.
Bei Guidos Guide geht es jeden Dienstag um den letzten Bundesliga-Spieltag, den internationalen Fußball, sowie um aktuelle Stammtischthemen, die sich mit dem Lederball beschäftigen. Und natürlich Guidos Meinung.