Bei Guidos Guide geht es bei gegebenen Anlässen um die Bundesliga, den internationalen Fußball, sowie um aktuelle Stammtischthemen, die sich mit dem Lederball beschäftigen. Und natürlich um Guidos Meinung.
Manchmal verliert man sich aus den Augen. Es soll in den besten Freundschaften vorkommen. Ein Umzug eine neue Beziehung, ein Arbeitsplatzwechsel oder eine neue Freizeitbeschäftigung. Schnell kann das gehen. Auch der Volksmund weiß: Aus den Augen, aus dem Sinn. Doch so war das bei Guido und mir in diesem Sommer nicht. Ich gebe zu, dass wir uns meistens oder fast ausschließlich über Fußball unterhalten und dass die fußballfreie Zeit unsere Kommunikation schon mal stark einschränkt. Aber auch während der Europameisterschaft hatten wir nicht wirklich viel miteinander zu tun. Wir hatten uns vorher verabredet mal ein Spiel gemeinsam zu schauen. Guido war dann jedoch häufig beruflich verhindert, was ich ihm als Fernfahrer auch nich übel nehmen kann. So kam es also, dass wir sehr lange nichts mehr von einander gehört hatten. Aus den Augen war er mir, aus dem Sinn aber nicht.
Entsprechend erfreut war ich als zeitgleich mit dem Abpfiff des Spiels der Nationalmannschaft am Freitag mein Handy klingelte und auf dem Display “Guido” aufleuchtete. Auf dem Foto, das bei seinen Anrufen auf meinem Handy erscheint, lehnt er am Geländer des Kreisliga-Fußballplatzes unserer Heimatmannschaft. Ich kann mich nicht mehr genau an den Moment erinnern, aber ich bin mir sicher, dass er sich gerade über einen Stellungsfehler in der Defensive der Dorfmannschaft aufregte, als ich das Foto machte. Zumindest hat er seinen Arm in so einer zeigenden Posse, wie sie nur Trainer am Rand ihrer Coaching-Zone einnehmen. Wenn er nicht so viel unterwegs wäre, hätte er die Mannschaft schon lange übernommen, antwortet Guido immer auf meine Nachfrage, warum er die Dorfkicker nicht trainiere.
“Mensch Guido, alter Freund“, meldete ich mich am Telefon.
“Ich dachte, ich melde mich mal wieder, und rette dich vor 30 langen Minuten Katrin Müller-Hodenstein.”, sagte Guido.
“Nach 90 Minuten Bela Rethy bin ich abgehärtet, da kann mich keiner mehr enttäuschen.”, antwortete ich.
“Fußball könnte so schön sein, wenn die deutschen Kommentatoren nicht immer so einen Mist erzählen würden.”, begann Guido, “Fußball ist so subjektiv geprägt, dass man immer mal wieder geteilter Meinung ist, aber warum bekommen es andere Nationen, wie die Engländer und die Amerikaner, hin, vernünftige Sportkommentatoren aufzubauen und wir nicht?!”
“Vor allem wird im deutschen Fernsehen von vorne bis hinten kopiert: Sobald ein Format im Ausland funktioniert, wird es in Deutschland nachgemacht. Wenn eine neue Sendung im deutschen Fernsehen innovativ erscheint, findet man nahezu ausnahmslos ein Original im Ausland. Doch wenn es mal wichtig wäre, sich an den internationalen Standards anzupassen, dann versagen die Deutschen. Allein, dass das Pay-TV bisher die einzigen sind, die es geschafft haben ein Spiel weitestgehend im Dialog zu kommentieren. Mit einem vernünftig integrierten und fähigen Experten kann man strittige Situation auch mal ausdiskutieren oder zwei Meinungen vertreten. Das ehemalige DSF schafft das in der 2. Bundesliga auch ab und zu ganz ordentlich.”, sagte ich.
“Bei den öffentlich-rechtlichen habe ich einfach nie den Eindruck, dass der Reporter wirklich weiß, was auf dem Feld gerade passiert ist. Die haben viel zu wenig Fachwissen. Und damit meine ich keine Auswendiglernerei. Der Zuschauer muss doch mitbekommen, dass ein Kommentator selber Fußball gespielt hat und deshalb etwas Ahnung hat. Da fehlt einfach die Leidenschaft für das Spiel. Wenn der Reus erst einen Elfmeter nicht bekommt, ausgebuht wird und zwei Minuten später die Bude macht, dann muss da doch mehr kommen als so ein lascher Erzählton.” Guido zeigte selbst bei der Nacherzählung der Szene mehr Emotionen als Bela Rethy bei der Live-Übertragung.
“Wenigstens bei der Nationalmannschaft könnte man das erwarten. Wobei ich auch mit weniger Emotionen leben könnte, wenn die Leute einfach mehr Ahnung vom Sport hätten und nicht selbst offensichtliche Dinge immer wieder nicht erkennen. Der Kommentator muss in meinen Augen mehr Ahnung von Fußball haben als der durchschnittliche Zuschauer, um die Mehrheit nicht permanent zu nerven.”, sagte ich.
Kaum hatte ich aufgehört zu sprechen, adelte Katrin Müller-Hohenstein, die eine Fußball-Sendung bis zum Unterhaltungswert von Curling runtermoderiert, Paul Breitner zum besten Torschützen der Nationalmannschaft. Noch bevor sie sich auf Gerd Müller verbessern konnte, hatte sie unseren Hohn und Spott sicher.