Okay, zuerst einmal, halt den Mund. Ja, klar, du hast den Titel gelesen, die Weltmeisterschaft findet in Katar statt und du denkst dir “Hmm, ja, natürlich, Teams aus Ländern mit warmem Wetter liefern in einem warmen Klima bessere Leistungen ab. Danke, Kumpel.”
Aber hast du konkrete Daten, um deine Aussage zu stützen? Nein, hast du nicht. Oder zumindest nicht bis jetzt.
In diesem Artikel werde ich unter die Lupe nehmen, wie Nationen in Weltmeisterschaften unter verschiedenen Temperaturbedingungen abgeschnitten haben. Ich werde Daten der gesamten WM-Historie sowie Wettdaten von der Weltmeisterschaft 1998 bis zur letzten WM im Jahr 2018 heranziehen.
Inhaltsverzeichnis
Einführung: Ein Spiel gegen das Wetter
Okay, erste Klarstellung (davon wird es einige geben). Ich bin kein Meteorologe. Ich bin nicht vertraut mit den Feinheiten der Klimaanalyse und behaupte auch nicht, mich auf diesem Gebiet auszukennen. Falls du also ein Meteorologe oder Klimawissenschaftler bist, bitte ich dich einfach nur darum, dich auf meine Darlegungen einzulassen. Du wirst von meiner, sagen wir mal, vereinfachenden Herangehensweise wahrscheinlich etwas genervt sein.
Aber sei nachsichtig mit mir.
Zuerst habe ich historische Klimadaten vom Climate Change Knowledge Portal (CCKP) der World Bank gesammelt.
Dort habe ich die folgenden Daten zusammengetragen:
- jährliche Durchschnittstemperatur (°C) für jede Nation, die jemals an der Weltmeisterschaft teilgenommen hat
- monatliche Durchschnittstemperatur (°C) für WM-Gastgeberländer in den Monaten, in denen die jeweilige Weltmeisterschaft stattgefunden hat
Okay, nächste Runde der Klarstellungen. Es gibt einige offensichtliche Probleme. Temperaturen können innerhalb eines Landes stark variieren. Russland, die USA und Australien sind einige Beispiele. Während sich das Klima mancher Nationen im Laufe des Jahres außerdem nur mäßig ändert, kann es bei anderen Ländern zu größeren Temperaturschwankungen von Monat zu Monat oder zwischen den Jahreszeiten kommen.
Allerdings war ich der Meinung, dass das Zusammentragen jährlicher Durchschnittstemperaturen für den Rahmen dieser Analyse angemessen ist, um das Klima verschiedener Nationen zu beschreiben.
Noch ein Problem. Das Untersuchen von monatlichen Durchschnittstemperaturen in Gastgeberländern für den Monat, in dem die jeweilige Weltmeisterschaft ausgetragen wurde, berücksichtigt keine Temperaturanstiege, die innerhalb der Jahre seit der WM entstanden sind. Zudem werden nicht die Durchschnittstemperaturen von spezifischen Gastgeberstädten, sondern von ganzen Ländern herangezogen.
Aber wie gesagt, für den Rahmen dieser Analyse schien es angemessen, monatliche Durchschnittstemperaturen für jedes Gastgeberland (im Grunde deren Sommerdurchschnitt) zu sammeln – auch wenn dies eine eher oberflächlich angelegte Weise ist, das Klima zu beurteilen, in dem jede Weltmeisterschaft ausgetragen worden ist.
Bei den WM-Spieldaten habe ich für die allgemeine Analyse jede Weltmeisterschaft von 1930 bis 2018 betrachtet, Spiele um den dritten Platz ausgenommen. Verlängerungen und Elfmeterschießen in K.o.-Spielen habe ich ebenfalls außen vor gelassen; hier fließt lediglich die reguläre Spielzeit und deren Ergebnis in die Betrachtung ein.
Des Weiteren habe ich die historischen Nationenbezeichnungen der FIFA verwendet: Deutschland als Westdeutschland von 1950 bis 1990; Tschechien als Tschechoslowakei von 1934 bis 1990; Serbien als Jugoslawien sowie Serbien und Montenegro von 1930 bis 2006; Russland als Sowjetunion.
Für die Wettanalyse habe ich Wettquoten von 1998 bis 2018 unter die Lupe genommen. Hierfür habe ich Daten meines eigenen Datenarchivs verwendet und Lücken mithilfe von BetExplorer geschlossen.
Die Rahmenbedingungen sind geschaffen – lass uns also mit der Analyse beginnen.
Performance durchschnittlicher Temperaturen bei Weltmeisterschaften
Nachfolgend ist die Performance jährlicher Durchschnittstemperaturen bei jeder Weltmeisterschaft von 1930 bis 2018 aufgelistet. Als Maßstab dienen die durchschnittlichen Wettbewerbspunkte – also drei Punkte für einen Sieg und einen Punkt für ein Unentschieden, jeweils bezogen auf alle Partien in der Gruppen- und K.o.-Phase.
Tabelle 1: Performance nationaler Durchschnittstemperaturen bei Weltmeisterschaften
Auf den ersten Blick haben Nationen mit geringeren Temperaturen tendenziell besser abgeschnitten. Aber hieraus lässt sich nicht viel ableiten. Für diesen Umstand kommen viele Ursachen infrage, zumal Länder mit unterdurchschnittlichen Temperaturen schlicht und einfach die talentierteren Fußballnationen sind.
Lass uns also die Daten umdrehen.
Performance von Durchschnittstemperaturen abhängig von Gastgeber-Temperaturen
Der Übersicht halber habe ich mich dazu entschieden, jährliche Durchschnittstemperaturen in drei Kategorien aufzuteilen:
- Kalt – Nationen mit jährlichen Durchschnittstemperaturen von höchstens 10 Grad
- Mäßig – Nationen mit jährlichen Durchschnittstemperaturen von 11 bis 19 Grad
- Warm – Nationen mit jährlichen Durchschnittstemperaturen von mindestens 20 Grad
Die nachfolgende Tabelle zeigt die Gesamtleistung jeder Klimakategorie innerhalb der ganzen WM-Geschichte.
Tabelle 2: Performance der Temperaturkategorien bei Weltmeisterschaften
Wie bereits hervorgehoben, haben warme Länder weniger Punkte erzielt als Nationen mit kaltem oder mäßigem Klima.
Lass uns also einen Blick darauf werfen, wie jede Klimakategorie in warmen Weltmeisterschaften im Vergleich zu kalten oder mäßigen Temperaturbedingungen abschneidet.
Hier habe ich die monatlichen Durchschnittstemperaturen von Gastgeberländern auf die gleiche Weise kategorisiert wie zuvor die jährlichen Durchschnittstemperaturen von teilnehmenden Nationen.
Im Folgenden sind die Leistungen jeder Klimakategorie in Weltmeisterschaften mit mäßigen bis kalten Temperaturbedingungen aufgelistet – im Speziellen Weltmeisterschaften, die bei monatlichen Durchschnittstemperaturen von 19 Grad oder weniger stattgefunden haben.
Tabelle 3: Performance der Temperaturkategorien bei Weltmeisterschaften mit kalten oder mäßigen Temperaturen
Lass uns nun die Performances jeder Klimakategorie bei Weltmeisterschaften mit warmen Temperaturen anschauen.
Tabelle 4: Performance der Temperaturkategorien bei Weltmeisterschaften mit warmen Temperaturen
Kommen wir nun zum Leistungsunterschied zwischen Teilnahmen an warmen Weltmeisterschaften im Vergleich zu kalten und mäßigen Bedingungen.
Tabelle 5: Leistungsunterschied von Temperaturkategorien bei Weltmeisterschaften in warmen Temperaturen im Vergleich zu Weltmeisterschaften bei kalten oder mäßigen Temperaturen
Während Nationen mit kalten und mäßigen Temperaturen also Ländern mit warmem Klima in der Geschichte der WM insgesamt überlegen waren, ist zu erkennen, dass sich die Leistung von Nationen mit wärmerem Wetter bei einer Teilnahme an Weltmeisterschaften mit wärmeren Temperaturen verbessert.
Tatsächlich verbesserten Teams aus warmen Ländern ihr durchschnittliches Ergebnis von 1,07 Punkten pro Spiel bei kälteren Weltmeisterschaften auf 1,34 Punkte pro Spiel bei Teilnahmen an warmen Weltmeisterschaften – eine Verbesserung von 0,27 Punkten pro Partie.
Überdies verbesserte sich die Tordifferenz ebenso, von -0,56 Toren pro Spiel in Weltmeisterschaften mit kaltem und mäßigem Klima auf -0,19 Tore bei warmen Weltmeisterschaften. Hier schlägt eine Verbesserung von +0,37 Toren pro Spiel zu Buche.
Gleichzeitig ist ein Leistungsabfall von Nationen mit kaltem und mäßigem Klima zu beobachten, auch wenn die Tordifferenz von kalten Ländern um lediglich 0,03 Tore pro Spiel gefallen ist, während sich die Tordifferenz von Nationen mit mäßigem Klima um 0,20 Treffer pro Partie verringert hat.
Nachfolgend habe ich jede Nation aufgelistet, die an der WM 2022 teilnimmt, und deren Leistungsdifferenzen zwischen Weltmeisterschaften mit kalten/mäßigen Temperaturen und WM-Turnieren mit warmem Wetter aufgeführt.
Tabelle 6: Leistungsdifferenzen von Nationen bei Weltmeisterschaften unter warmen Bedingungen verglichen mit WM-Turnieren in kalten oder mäßigen Temperaturen
Und hier sind die Performances von Nationen, die mindestens 20 WM-Partien gespielt haben, sortiert nach der Differenz in durchschnittlichen Punkten zwischen Spielen in Weltmeisterschaften mit kaltem/mäßigem Klima und WM-Turnieren in warmem Klima.
Tabelle 7: Leistungsdifferenzen von Nationen bei Weltmeisterschaften unter warmen Bedingungen verglichen mit WM-Turnieren in kalten oder mäßigen Temperaturen (mindestens 20 gespielte WM-Partien)
Aber ich verstehe schon, so langsam fragst du dich: Was hat das mit Wetten zu tun?
WM-Wetten auf Nationen mit warmem Wetter
Um die Analyse abzuschließen, habe ich mir die Performances der Nationen in Weltmeisterschaften mit kalten, mäßigen sowie warmen Temperaturen angeschaut. Im Zuge dessen habe ich die Leistungen von warmen Ländern und die Leistungen von Nationen mit kaltem/mäßigem Klima verglichen.
Hier betrachten wir Profit und Verlust bei gleichen Einsätzen; wir wetten also eine einzelne Unit auf jedes Resultat. Zudem ziehen wir den Mittelwert der verfügbaren Wettquoten bei einer Standardmarge von 4,5 % heran. Die Profite wären bei Wetten auf die besten verfügbaren Quoten höher gewesen.
Wie bereits erwähnt, beziehen sich diese Daten sowohl auf Wettdaten des 1X2-Marktes als auch des Asiatischen Handicaps für die letzten sechs Weltmeisterschaften von 1998 bis 2018.
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Wetten auf Nationen mit warmem Wetter bei WM-Turnieren mit kalten und mäßigen Temperaturen
Lass uns zunächst einen Blick auf die Performance von warmen Ländern in WM-Turnieren mit kalten und mäßigen Temperaturen gegen Nationen mit kaltem und mäßigem Klima werfen. Konkret waren dies die Weltmeisterschaften der Jahre 1998, 2006, 2010 und 2018.
Tabelle 8: Performance von Nationen mit warmem Wetter im 1X2-Markt bei Weltmeisterschaften in kalten oder mäßigen Temperaturen
Es ist zu erkennen, dass Wetten gegen warme Nationen unter kalten und mäßigen Temperaturbedingungen in Partien gegen Teams aus Ländern mit kaltem und mäßigem Klima einen Profit von mehr als neun Units auf dem 1X2-Markt erzielt hätten – ein Ertrag von 7,4 %. Wetten auf diese Teams hätten auf dem 1X2-Markt hingegen einen Verlust in Höhe von 37,5 % zur Folge gehabt.
Tabelle 9: Performance von Nationen mit warmem Wetter im Wettmarkt für Asiatisches Handicap bei Weltmeisterschaften in kalten oder mäßigen Temperaturen
Auf dem Wettmarkt für das Asiatische Handicap verhielt es sich ähnlich. Wetten gegen Mannschaften aus warmen Nationen bei kalten und mäßigen Klimabedingungen hätten einen Ertrag von 1,6 % erbracht, während Wetten auf diese Teams einen Verlust von 8,1 % nach sich gezogen hätten. In dieser Wettkategorie verbuchten warme Länder eine Bilanz von 59:65 gegen die Handicap-Grenze – eine Siegesrate von 47,6 %.
Wetten auf warme Länder bei Weltmeisterschaften mit warmem Klima
Okay, lass uns also Wetten auf warme Nationen betrachten, die bei warmen Weltmeisterschaften gegen Teams aus Ländern mit mäßigem oder kaltem Klima antreten. Hier ist allerdings zu bedenken, dass nur zwei Weltmeisterschaften Daten dieser Art liefern: die WM 2002 und 2014.
Tabelle 10: Performance von Nationen mit warmem Wetter im 1X2-Markt bei Weltmeisterschaften mit warmem Klima
Hier zeigt sich auf dem 1X2-Markt, dass Wetten auf den Sieg von Teams aus warmen Ländern einen Gewinn von 4,1 % erzielt hätten, während Wetten auf ein Unentschieden dieser Teams mit einem Profit in Höhe von 7,8 % einhergegangen wären. Wetten auf Nationen mit kaltem oder mäßigem Klima hätten gegen warme Länder in diesen Weltmeisterschaften demgegenüber einen Verlust von beinahe 24 % generiert.
Im Wettmarkt für das Asiatische Handicap hätten Wetten auf warme Länder gegen Teams aus Nationen mit kaltem oder mäßigem Klima einen Gewinn von fast 7 % erbracht, während Wetten gegen diese Länder zu einem Verlust von 12,6 % geführt hätten. Auf dem Markt für Asiatisches Handicap erzielten warme Nationen eine Bilanz von 36:30 gegen die Handicap-Grenze, also eine Erfolgsrate von 54,5 %.
Tabelle 11: Performance von Nationen mit warmem Wetter im Wettmarkt für Asiatisches Handicap bei Weltmeisterschaften mit warmen Temperaturen
Relevante Spiele bei der WM 2022
Die Weltmeisterschaft 2022 wird in Katar stattfinden, in einem Land mit einer Durchschnittstemperatur von etwa 22 Grad im November/Dezember – 25 Grad im November und 20 Grad im Dezember.
Unter Berücksichtigung dieser Analyse habe ich einige Partien ermittelt, die es bei Wetten auf die WM 2022 zu erwägen gilt.
Dennoch ist es wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass vergangene Erfolge solcher Trends keine künftigen Erfolge garantieren. Es ist außerdem zu beachten, dass wir hier von relativ kleinen Stichprobengrößen sprechen.
Im Hinblick darauf sind nachfolgend relevante Partien für die anstehende WM 2022 aufgelistet.
Fazit: Berücksichtige das Wetter
In dieser Analyse haben wir gesehen, dass warme Nationen in Weltmeisterschaften mit warmen Temperaturen im Vergleich zu WM-Turnieren mit kaltem oder mäßigem Klima bessere Leistungen abliefern.
Wir haben ebenfalls gesehen, dass sich Wetten auf Teams aus warmen Ländern bei warmen Weltmeisterschaften als rentabel erwiesen, wenn sie gegen Nationen mit kalten oder mäßigen Temperaturen antraten.
Wie gesagt, denke bitte daran, dass die vergangenen Resultate dieser Trends keine Garantie für künftige Performances liefern. Wir sprechen hier gleichermaßen von relativ kleinen Stichprobengrößen.
Nichtsdestotrotz scheint es so, als könnte es sich auszahlen, das Wetter für Wetten auf die WM 2022 im Hinterkopf zu behalten. Viel Glück – und bitte spiele verantwortungsvoll.