Als Spieler und Trainer hat sich Dirk Schuster einen Namen gemacht und bei diversen Vereinen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Zuletzt war er Trainer bei Kaiserslautern, die wie ein anderer Ex-Verein Darmstadt 98 lieber heute als morgen Abstand zu den Abstiegsrängen in der 2. Bundesliga bekommen würden.
Schuster analysiert die Situation beim FCK ganz genau und auch, was vom Spiel gegen den HSV am Wochenende zu erwarten ist. Aber auch eine Analyse des Karlsruher SC hat er in petto, ebenso wie Tipps zu allen Spielen der 2. Liga des 6. Spieltags.
Klare Sache für den HSV? Dirk Schuster: “Sehe ich anders”
Wettbasis: Kaiserslautern empfängt den HSV. Deutsche Meisterschaften en masse auf beiden Seiten, Samstagabend und ein Highlight Spiel. Dazu begrüßen wir Dirk Schuster, den ehemaligen Trainer von Kaiserslautern. 6. Spieltag, Kaiserslautern steht auf Platz zehn, hat unglaublich viele Gegentore gefangen und jetzt empfangen sie den HSV, aktuell auf Platz vier. Wie sehen Sie das Spiel?
Dairk Schuster: “Das ist relativ schwierig einzuordnen zu Beginn der Saison. Der FCK hat schon wieder mit zehn Gegentoren relativ viele bekommen. Der HSV mit nur vier, das sind glaube ich die drittwenigsten in der gesamten Liga. Man muss auch beachten, dass mit Markus Anfang ein neuer Trainer nach Kaiserslautern gekommen ist, der einen anderen Spielstil veranschlagt hat, wie es vorher der Fall war.
Mit Dominanz, Ballbesitzfußball. Fraglich ist da nur, ob er da auch die richtigen Spieler dafür hat, um das umsetzen zu können. Also von der Tendenz her, in den letzten Spielen Kaiserslautern mit zwei Niederlagen, der HSV mit neun zu eins Toren und zwei klaren Siegen, von der Papierform, von der Formkurve her, klare Sache für den HSV. Aber ich sehe das ein bisschen anders.
Ich denke, dass die ehemalige Festung Betzenberg ausverkauft sein wird, dass die Fans und die Zuschauer voll hinter der eigenen Mannschaft stehen und dass man diesen Druck der letzten zwei Niederlagen ein bisschen vom Kessel nehmen will. Beim HSV hat sich auch einiges verändert. Steffen Baumgart lässt nicht so diesen ganzen Hurra-Fußball spielen, wie es bei Tim Walter der Fall war.
Er hat die Defensive sehr stabilisiert, hat viel Qualität im Kader, wenn man sieht, wer jetzt auch von der Bank kam, beim letzten Spiel gegen Regensburg: Reis, Dompe, Selke, darüber noch Pherai. Das sind alles Spieler, die bei anderen Zweitligisten wahrscheinlich gesetzt wären, so dass von der reinen Papierform her der HSV dieses Spiel normalerweise gewinnen müsste. Aber im Fußball kann man nichts berechnen. Auf dem Betze sowieso nicht.
Ich denke, dass in den Spielen bisher Kaiserslautern nicht so hundertprozentig überzeugt hat. Auch die Siege, mit den sieben Punkten die sie haben, sind dann teilweise etwas glücklich zustande gekommen. Ein Faktor könnte wieder sein, dass Marlon Ritter zurückkommt, der der Denker und Lenker im Spiel der Lauterer ist.
Die Abhängigkeit von Ragnar Ache im Sturm vorne, ist auch nicht gerade ein Pluspunkt, sondern da wird sich die Hamburger Mannschaft auch gut drauf einstellen. Aber ich vermute, dass es ein enges Spiel gibt, ein sehr umkämpftes Spiel gibt, wo der Ausgang relativ offen ist. In der Vergangenheit, bei den letzten beiden Heimspielen gegen den HSV, wurde eins gewonnen, eins Unentschieden gespielt.
Sie haben 2:0 gewonnen, richtig?
Schuster: “Ja, und 3:3 habe ich auch mal gespielt.”
Also Sie haben zu Hause nicht verloren gegen den HSV. Welche Argumente haben Sie, dass das erneut nicht passieren wird?
Schuster: “Ich glaube dass der FCK alles in diese Partie reinfeuern wird. Das ist ein Traditionsderby und ein großes Spiel für alle in der Region, aber auch für ganz Deutschland. Normalerweise in der 1. Liga angesiedelt.
Der FCK wird es mit viel Herz und Leidenschaft dem HSV sehr schwer machen, die drei Punkte zu entführen und ich tippe auf ein Unentschieden.”
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Die Defensive ist der Knackpunkt, nicht erst seit dieser Saison bei Kaiserslautern. Ist es nachvollziehbar, dass man da nicht personell nachjustiert hat?
Schuster: “Man hat ja zwei Spieler geholt mit Wekesser und Hoyer.”
Die waren aber nicht Stammspieler bei ihren alten Vereinen.
Schuster: “Gut, das ist halt auch immer ein bisschen das Problem in Kaiserslautern. Der finanzielle Rahmen spielt da auch eine Rolle, dass man nicht die großen Kracher holen kann. Aber es war ja auch, damals zu meiner Zeit, schon ein Wunsch, einen klaren Sechser zu holen, der viel wegräumt.
So dass Tomiak, der teilweise bei uns auf der Sechser Position spielen musste, in seine angestammte Position in der Innenverteidigung wieder zurückrücken könnte. Das hat man damals nicht richtig geschafft. Man hat es geglaubt, dass man mit Karloc einen Spieler geholt hat, der diese Rolle voll ausfüllen könnte.
Aber der spielt in dieser Saison auch noch nicht diese Rolle, die ich ihm da eigentlich zugetraut hätte, so dass es in der Verschiebung verschiedener Positionen in der Viererkette oder Dreierkette und der Sechser Position davor immer wieder Veränderungen gab, was nicht gerade zur Stabilität beigetragen hat.”
Wie kann es denn sein, dass der 1. FC Kaiserslautern seit der Vorsaison die meisten Tore nach ruhenden Bällen erzielt hat, gleichermaßen aber auch schon vier Gegentore in der laufenden Saison nach ruhenden Bällen kassiert hat? Also einerseits die Stärke nach den ruhenden Bällen, aber gleichzeitig auch schon vier Gegentreffer kassiert, die dritt meist in der 2. Liga nach runden Bällen.
Dirk Schuster: “Das klingt wie ein Konflikt, aber auf der anderen Seite muss ich das bisschen an Ragnar Ache festmachen. Wenn man sieht, was er für eine Sprungkraft mitbringt, was er für ein Timing hat und bei jeder Standardsituation, auch bei Einwürfen, extrem gefährlich ist. Eckbälle, seitliche Freistöße, der steht in der Luft, der ist schwierig zu verteidigen und bringt dann noch eine Dynamik mit rein.
Da ist es für mich nicht überraschend, dass der FCK schon einige Standardtore geschossen hat. Auf der anderen Seite, die Problematik hinten, dass man diese Gegentore bekommen hat, zeigt aber für mich auch, welchen Wert mittlerweile Standardsituationen bei allen Mannschaften bekommen haben. Es gibt bei jeder Mannschaften einen Trainer, der für Standardsituationen verantwortlich ist.
In England gibt es sogar Einwurf-Trainer, die das speziell schulen und da haben viele Vereine sich verschiedenste Möglichkeiten und Varianten ausgedacht, wie man den Gegner überraschen kann, wie man torgefährlich werden kann. Das hat im Fußball immer höhere Bestandteile bekommen, dass man das im Training aufnimmt und die Wertigkeit ist enorm gestiegen und da ist höchste Konzentration im Defensivverbund notwendig.
Es gibt da auch verschiedene Möglichkeiten, das zu verteidigen, reine Manndeckung, reine Raumdeckung, so eine Mann-Raum-Mix Deckung. Es werden in der Spielvorbereitung auch sehr viele Sachen durchgesprochen, wie man das machen will in der Verteidigung. Aber trotzdem sind die Lücken in Kaiserslautern da jetzt noch zu groß gewesen.”
Sie haben das als Trainer oft genug erlebt, die Spiele gegen den HSV. Was würden Sie machen vor dem Spiel, in der Kabine? Was ist da Ihr Rezept gewesen?
Schuster: “Das ist immer unterschiedlich, wie die Situation sich dargestellt hat. Ob man aus einer positiven jüngeren Vergangenheit kommt, dann, schon klar, härter anpacken, die ganze Geschichte. Auf der anderen Seite hat man auch Negativerlebnisse gehabt, da sollte man versuchen, sehr viel Selbstvertrauen zu vermitteln.
Das ist situativ immer sehr unterschiedlich gewesen. Aber wenn man bei einem Spiel gegen den HSV irgendeinen Spieler noch zusätzlich motivieren muss, dann läuft da irgendwas verkehrt. Wenn man einen Spieler gegen den HSV, in der Bundesliga früher oder jetzt in der 2. Liga, wo sie wieder zu den heißesten Aufstiegsaspiranten zählen, motivieren muss, dann ist irgendwas nicht in Ordnung.
Das war früher so und das ist auch heute wieder der Fall. Wenn der HSV kommt, sind alle Antennen auf Empfang und alles auf Sendung ausgerichtet und dann will man natürlich dem großen HSV auch ein Bein stellen.”
Haben Sie auch noch einen konkreten Ergebnistipp für uns?
Schuster: “Ich bin sicher, es werden Tore fallen. Ich tippe auf ein 2:2.”
Schuster über KSC: “Sensationell, wie Eichner das hingekriegt hat”
Der Karlsruher SC ist das Team, das in diesem Kalenderjahr die meisten Punkte geholt hat in der 2. Liga. Also ein absoluter Geheimtipp für den Aufstieg. Warum ist der KSC so stark aktuell?
Schuster: “Weil sie von der Tagesform, von der Papierform, in den letzten Spielen absolut überzeugt haben. Weil auch ein Umbruch in absolut atemberaubender Geschwindigkeit beim KSC gelungen ist, wo man verschiedene Leistungsträger nicht mehr auf der Agenda hatte.
Ob das Gondof, Heise waren, oder Matanovic vorne wurde zurückgegeben. Man hat es verstanden, sie mit jungen Spielern, hungrigen Spielern zu ersetzen. Und diese Spieler haben direkt eingeschlagen. Das Mannschaftsgefüge beim KSC stimmt und man hat vor allen Dingen den Schwung, den Zivzivadze von der EM mitgebracht hat, absolut in der Liga auch umsetzen können.
Das heißt, er hat diese Energie mitgebracht, trifft wie er will, hat sehr positiv auch im Team beigetragen und das macht den KSC momentan erfolgreich. Punktemäßig zeigt sich das auch in der Tabelle, wo sie alles gewonnen haben und bei auch sehr formstarken Düsseldorfer 0:0 gespielt haben und das Spiel hätten auch gewinnen können.
Es ist schon sensationell, wie Christian Eichner das mit seiner Truppe und dem gesamten Verein hingekriegt hat.”
Christian Eichner, der schon lange dabei ist, was macht ihn so speziell als Coach?
Schuster: “Er geht auf die Bedürfnisse der Mannschaft gut ein, weiß aber auch, wann er mal dazwischen zu hauen hat. Er hat ein gutes taktisches Verständnis für verschiedene Spielsituationen und es ist immer schwierig, gegen seine Mannschaften zu spielen.
Weil er sie sehr gut einstellt, weil er auch den einen oder anderen taktischen Kniff mitbringt und er versteht es, die Spieler da einzusetzen, wo sie am stärksten sind, wo sie ihre Stärken ausspielen können und wo sie für das Team am wertvollsten sind. Das zeigt sich auch jetzt wieder, dass er da sehr erfolgreich sein kann.
Was mir in der Vergangenheit bei ihm gefallen hat, ist, er macht nicht vor Namen halt, die vielleicht ein gewisses Standing innerhalb der Mannschaft haben. Wenn es nicht funktioniert, wenn die Leistung nicht stimmt, dann werden die genauso ausgewechselt oder spielen mal nicht, wie jeder andere auch.
Also er setzt das Leistungsprinzip, von außen betrachtet, zu 100 Prozent um. Das ist auch ein Faktor, der ihn authentisch und glaubhaft in der Mannschaft macht und dann auch zum Erfolg beiträgt.”
Magdeburg, die ja überraschend und auch etwas kurios 2:1 in Köln gewonnen haben, als Gastgeber für den KSC. Wie geht das aus?
Schuster: “Erstmal muss man sagen, dass die Magdeburger einen ganz anderen Ansatz haben, als viele Mannschaften der 2. Liga. Sie wollen alles mit dem Ball machen, ist fast verboten, da hinten mal ein Ball wegzuschlagen. Es muss vieles spielerisch gelöst werden, so sieht es von außen aus.
Das ist natürlich sehr risikobehaftet und da hat man auch in der Vergangenheit vielen Gegnern schon mal die eine oder andere Chance, oder das eine oder andere Tor geschenkt. Aber Christian Titz geht den Stil weiter, das ist jetzt von Erfolg geprägt. Aber in Köln war es sicherlich auch den Kölnern mit zu verdanken, die die mit ihrem Chancenwucher nichts anzufangen wussten.
Ich denke, dass Magdeburg im Heimspiel gegen den KSC auch sehr viele Zuschauer haben wird. Traditionell ist es in Magdeburg immer sehr laut, dann ist jetzt auch wieder eine gewisse Euphorie mit vorhanden. Das wird ein Spiel geben, wo ein gefestigter KSC, der defensiv auch sehr gut arbeitet, die auch nur fünf Gegentore bisher bekommen haben, alles dransetzen wird, diese ungeschlagene Serie weiter fortzusetzen.
Und Magdeburg wird natürlich versuchen, diese Euphorie weiter vorzutragen, den Schwung aus dem Kölner Spiel mitzunehmen. Das wird ein Spiel werden, wo zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze aufeinandertreffen, was aber hochinteressant sein wird und auch ein enges Spiel sein wird.
Mit einem Unentschieden.”
Fortuna Düsseldorf gegen den 1. FC Köln, ein Rheinderby. Das Rheinische Derby, wie geht das aus? Wird Fortuna Düsseldorf die Kölner schlagen und damit die Tabellenführung auch festigen?
Dirk Schuster: “Da lege ich mich fest: Ja. Fortuna Düsseldorf hat eine absolut starke Serie, hat im letzten Auswärtsspiel sehr gut gespielt, total abgezockt, clever, auch mit sehr viel Disziplin. Damit haben sie einen 2:0 Sieg eingefahren und das stimmt mich schon dafür ein, dass die Fortuna dieses Spiel gewinnen wird.
Wobei ich auf der anderen Seite auch glaube, dass die Kölner ein gutes Spiel gemacht haben gegen Magdeburg, allerdings mit den vielen Chancen nichts anzufangen wussten und danach hinten raus zwei Gegentore bekommen haben, wo drei Punkte dann irgendwo fehlen, die im Ziel oben mitzuspielen, dann auch irgendwann fehlen werden. Von der Form-Tabelle her ist die Fortuna absolut ganz weit oben angesiedelt.
Die Kölner suchen sich noch ein bisschen, sind aber auf einem guten Weg, wie ich sie sehe. Aber ich denke, dass die Fortuna dieses Jahr noch mal alles dransetzen wird, ganz oben dabei zu sein, um den direkten Aufstieg in die Bundesliga zu verwirklichen.”
Also einen Sieg für Fortuna sehen Sie. Warum? Welche Waffen haben sie, die die Kölner nicht haben?
Schuster: “Sie haben absolut das Momentum auf ihrer Seite. Eine gefestigte Mannschaft, mit Kownacki wieder einen absoluten Star da vorn in der ersten Reihe, einen Stürmer, der weiß, wo das Tor steht. Auch die individuelle Qualität, die sie innerhalb der Mannschaft haben.
Ein Großteil der Spieler ist zusammengeblieben, ein gefestigtes Mannschaftsgefüge. Währenddessen bei den Kölnern, klar natürlich durch den Abstieg, durch viele Abgänge und durch die Transfersperre, doch personell einige Umbrüche zu erkennen sind, die noch nicht alle in dieses Gefüge mündeten, so dass ein Rädchen ins andere greifen würde.
Also da ist teilweise noch bisschen Sand im Getriebe und ich denke, dass die Fortuna das ausnutzen wird. Dazu ist es noch ein Derby, zwei Nachbarstädte quasi, da brennt es immer und da wird es auch wieder heiß hergehen.
Ich sage 2:0 für Fortuna Düsseldorf.”
Dann noch schnell die anderen Ergebnistipps, Herr Schuster.
Dirk Schuster: “Paderborn gegen Hannover – 1:2
Schalke gegen Darmstadt – 0:1
Nürnberg gegen Hertha – 1:3
Braunschweig gegen Fürth – 2:1
Elversberg gegen Ulm – 3:0
Regensburg gegen Münster – 2:1”