Enzo Scifo hat in seiner Spieler-Karriere 84-Mal das Trikot der belgischen Nationalmannschaft getragen. Er stand auch bei etlichen großen Klubs wie die AS Monaco, Inter Mailand und dem RSC Anderlecht unter Vertrag.
Bei Wettbasis blickt der ehemalige geniale Spielmacher auf seine Karriere- Höhepunkte zurück, aber auch auf die Aktualität voraus. Dabei schildert er seine Erwartungen mit dem belgischen Nationalteam für die kommenden Monate.
Enzo Scifo über Tedesco: “Kann für Aufbruchstimmung sorgen”
Wettbasis: Herr Scifo, was sagen Sie zur Wahl des belgischen Verbandes, Domenico Tedesco als Nachfolger des Spaniers Roberto Martinez installiert zu haben?
“Auf dem ersten Blick war ich ein bisschen erstaunt über diese Wahl. Viele Namen sind über all die Wochen kursiert. Dann hat es ziemlich lang gedauert bis der Deal fix gemacht wurde.
Aber ich finde im Nachhinein dieses Profil spannend und besonders kreativ. Tedesco hat bereits bei Schalke 04 und RB Leipzig bewiesen, dass er für eine Art Aufbruchsstimmung sorgen kann.”
Sind Sie guter Dinge, dass er die Erwartungen erfüllen wird?
“Wenn er seinen eigenen Weg geht mit den richtigen Leuten, die es gut mit ihm meinen, dann denke ich schon, dass er das schafft. Domenico ist noch jung als Trainer.
Man muss ihm eine Chance geben. Ich glaube, er ist sehr optimistisch und selbstbewusst genug um diese anspruchsvolle Herausforderung mit viel Leidenschaft anzugehen.”
Was denken Sie über das Ende der goldenen belgischen Generation, die keinen einzigen Titel gewonnen hat?
“Egal ob bei einer Welt- oder einer Europameisterschaft, am Ende gewinnt immer nur eine Mannschaft, deswegen ist es immer schwierig eine Generation über all die Jahre nur an Titeln zu messen.
Der Höhepunkt dieser Generation war sicherlich die Weltmeisterschaft 2018 in Russland, als man im Halbfinale nach einer hart umkämpften Partie an den Nachbarn Frankreich scheiterte. Damals wurden kleine Details entscheidend, die die Franzosen besser nutzen konnten.
Aber das war im Nachhinein sicherlich die größte Chance um diese goldene Generation zu krönen.”
Wer sind die jungen belgischen Spieler, die die Mannschaft in den kommenden Jahren tragen könnten?
“Ich bin sehr gespannt auf verschiedene neue Nationalspieler wie Leandro Trossard, der beim FC Arsenal einen guten Start hingelegt hat. Auch vom Lois Openda kann man sich freuen.
Bei Racing Lens in Frankreich schießt er Tore wie am Fließband. Und Rennes-Verteidiger Arthur Theate verfügt über ein großes Potential.”
Bild: Belgien-Legende Enzo Scifo trainierte auch Belgiens U21. (© IMAGO / Panoramic International)
Scifo über Domenico Tedesco: “Hohe taktische Flexibilität”
Welchen Rat würden Sie Domenico Tedesco für den Wiederaufbau Belgiens geben?
“Es geht darum dieser Nation einen neuen Elan zu verschaffen mit einigen neuen Kräften. Mit Thibaut Courtois, Kevin De Bruyne und Romelu Lukaku hat Domenico Tedesco einige sehr erfahrene Spieler.
Diese Mischung verspricht einiges. Spielerisch wird Tedesco sicherlich versuchen ein modernes Spiel zu prägen, gespickt mit einer hohen taktischen Flexibilität.”
Jeremy Doku galt als großes Talent, aber in letzter Zeit ist er diesem Ruf nicht ganz gerecht geworden, obwohl er noch sehr jung ist. Wie viel Zukunft hat er Ihrer Meinung nach noch vor sich?
“Jeremy ist ein Riesen-Talent. Ich mag ihn zuzusehen, mit seiner Schnelligkeit, seinen Dribblings sowie seiner Unbekümmertheit. Leider ist er immer wieder vom Verletzungspech verfolgt, das ihn in seinem Elan plötzlich stoppt.
Wenn er im Vollbesitz seiner Kräfte auf einem längeren Zeitraum bleiben sollte, dann kann er auch bei den Roten Teufeln eine interessante Rolle spielen.”
Was ist Ihrer Meinung nach bei Romelu Lukaku schief gelaufen?
“Auch er hat immer wieder mit Muskel-Verletzungen zu kämpfen. Aber wenn er top fit ist, ist er eine feste Größe des belgischen Fußballs. Die Achse Courtois-De Bruyne-Lukaku lässt auf einiges hoffen.”
Wer war der stärkste Spieler, gegen den Sie je gespielt haben in Ihrer gesamten Laufbahn?
“Diego Maradona! Mein allererstes Spiel für Anderlecht war damals gegen den FC Barcelona mit Maradona als Hauptstar. Für mich war Maradona damals mein Idol, weil er neben seinen außergewöhnlichen technischen Fähigkeiten auch einen angeborenen Sinn für Unterhaltung hatte.
An diesem Abend habe ich ihn von der ersten Minute an bis zu meiner Einwechslung nur mit Bewunderung in den Augen beobachtet. Später, vor allem in Italien, trat ich noch einige Male gegen ihn an, als er beim SSC Neapel spielte.
Und ich muss Ihnen etwas gestehen: Meine besten Spiele habe ich wahrscheinlich bestritten, als Maradona vor mir stand. Gegen ihn anzutreten, das hat mich hochgezogen und irgendwie voll gepusht.”
Sogar im Halbfinale der Weltmeisterschaft 1986?
“Ich bin mit zwei verschiedenen Gefühlen aus diesem Spiel gegangen. Natürlich war ich enttäuscht über unser Ausscheiden, aber auch stolz darauf, an einem Tag auf dem Platz gestanden zu haben, an dem Maradona ganz allein das Schicksal eines Spiels entschied.”
Welcher Trainer hat Sie am meisten geprägt?
“Obwohl ich das Glück hatte, mit vielen Trainern zu arbeiten, die eine große Karriere hatten, hat mich Arsène Wenger am meisten geprägt.
Er musste nichts erzwingen, um den Respekt der Spieler zu erlangen, er war sehr gelassen, er lebte nur für den Fußball und vor allem konnte er seine Leidenschaft weitergeben. In der Tat war er echt und integer.
Ich mache übrigens keinen Hehl daraus: Als ich selbst Trainer wurde, war Wenger mein Vorbild. Seine Ausstrahlung hat mich immer imponiert.”
Enzo Scifo Interview: Alexis Menuge
