Sportjournalist Günter Klein kennt Hansi Flick ganz genau, immerhin hat er dessen Biografie verfasst.
Wohl niemand kann also besser in Flicks Mindset eintauchen, wenn dieser erstmals in seiner Trainer-Karriere ein Team gegen Bayern München auf den Platz schicken muss.
Günter Klein spricht über Hansi Flicks Scheitern mit der deutschen Nationalmannschaft, der Sensations-Rückkehr ins Geschäft beim FC Barcelona, wieso er das Team trotz Sprachbarriere so gut handelt und wie er sich diese sogar zu Nutze macht. Natürlich blickt er auch auf das Duell Barca vs. Bayern und ob Flick Kompany auscoachen wird, oder gar umgekehrt.
Günter Klein über Hansi Flick: “Krachend gescheitert mit dem DFB-Team”
Wettbasis: Barcelona gegen Bayern, das ist natürlich eine wunderbare Konstellation, denn der ehemalige Bayern-Trainer Hansi Flick ist jetzt Trainer von Barca, gemeinsam mit Stürmer Robert Lewandowski. Jemand, der sich bestens auskennt mit den Bayern und vor allen Dingen auch mit Hansi Flick, ist Günter Klein. Hallo!
Günter Klein: “Guten Tag.”
Herr Klein, Sie haben ein Buch geschrieben über Hansi Flick und jetzt kommt dieses Spiel. Das bedeutet auch, die ehemaligen Spieler, die so viel gewonnen haben mit Flick, treten jetzt gegen ihn in Barcelona an. Wie sehen Sie diese Konstellation?
Klein: “Die könnte natürlich interessanter nicht sein, im Rahmen der neu gestalteten Champions League, wo es nur ein Aufeinandertreffen gibt und nicht Hin- und Rückspiel. Also ja, ich glaube, das hat eine gewisse Brisanz.
Nicht nur, weil Hansi Flick eben bei den Bayern war, sondern auch aufgrund seiner jüngsten Geschichte in Deutschland, aufgrund des doch sehr krachenden Scheiterns mit der deutschen Nationalmannschaft.
Nachdem dies geschehen war, haben doch viele wahrscheinlich geglaubt, dass die Karriere von Hansi Flick womöglich beendet sein würde und schon überhaupt, dass er es geschafft hat, einen internationalen Topklub für sich zu gewinnen, das ist schon eine besondere Form des Comebacks.”
Wo sehen Sie die Gründe für sein Scheitern? Wenn man so erfolgreich ist mit Bayern München, dann aber krachend, wie Sie es richtig gesagt haben, scheitert mit der Nationalmannschaft?
Klein: “Ich glaube, er hat die Aufgabe damals ein bisschen falsch eingeschätzt. Er hatte ja diesen Grundstock an Bayernspielern, mit denen er vertraut war, aber es fiel ihm dann schwer, so war meine Wahrnehmung, zu Spielern aus anderen Vereinen, mit denen er noch nicht so gut bekannt war, diesen Draht und diese Nähe aufzubauen.
Weil man dafür bei der Nationalmannschaft auch nicht die Zeit hat. Ich habe ja für die Biografie mit vielen Leuten auch gesprochen, die ihn gut kennen, schon seit Jahrzehnten. Da habe ich danach dann auch gehört, naja, besser wirkt der Hansi dann doch bei einem Verein, wo er permanent und über Jahre hinweg mit den Spielern arbeiten kann, wo sie erkennen, was er menschlich für sie bedeuten kann, welches Betriebsklima er innerhalb einer Mannschaft schafft.
Beim DFB war es einfach so, das hat gefehlt und er ist eben durch den Druck, durch Katar, durch das, was dann danach war, ist er immer mehr zum Getriebenen geworden. Am Schluss hat es ja gewirkt wie eine Erlösung.”
Jetzt hat er es offensichtlich geschafft, in Barcelona auch ein gutes Betriebsklima zu schaffen. Wie ist das vonstatten gegangen? Denn wie gut spricht Flick Spanisch, über die Kommunikation muss das ja ein bisschen schwieriger sein.
Klein: “Er spricht akzeptables Englisch, aber nicht alle Spieler sprechen Englisch. Ich habe Marc-Andre ter Stegen vor der Europameisterschaft zu dem Thema mal gefragt, wie das mit der Kommunikation sei und da meinte ter Stegen, er müsste schon Spanisch lernen und er müsste das auch richtig machen.
Es sei nicht damit getan, dass man dann in Deutschland einmal in der Woche in den Sprachkurs geht und dann draußen auf der Straße und im Alltag wieder Deutsch redet. Er muss praktisch da völlig eintauchen in diese Gesellschaft, braucht diese Umgebung, braucht diese Sprachumgebung, damit er sich da schnell eingewöhnt.
Im Spiegel ist letztens eine interessante Geschichte erschienen über ihn, jetzt im Vorfeld dieses Spiels. Und da wird es eben als gewisser Vorteil geschildert, dass er nur auf Englisch kommuniziert und weder Spanisch noch Katalanisch in so einer konversationsfähigen Form kann, denn dadurch ist er bei vielen Themen, die sonst einen Barcelona-Trainer auffressen können, komplett außen vor.
Die Geschichte heißt: „Der Facharbeiter“ und sie beschreibt eben, wie Hansi Flick sich in diesem Umfeld Barcelona völlig darauf konzentrieren kann, nur seine sportliche Arbeit rund um den Fußball zu machen. Keine Vereinspolitik, keine großen Ansagen. Just do the work.”
Das ist eine spannende Komponente, die Sie da ins Spiel bringen. Aber wie kann er dann mit den Spielern so gut kommunizieren, dass die offensichtlich seinen Fußball spielen und sehr erfolgreich Fußball spielen?
Klein: “Er hat ja Heiko Westermann als Co-Trainer, der sehr gut Spanisch spricht. Und ich glaube, Fußball lässt sich ja auch abseits der gesprochenen Sprache erklären. Das, was er sagen will, das bringt er rüber und zu den Spielern hat ein sehr gutes Verhältnis.
Es gab ja neulich mal die Szene, als er Lamine Yamal, das Supertalent und den frisch gebackenen Europameister, ausgewechselt hat und der natürlich nicht sonderlich zufrieden war mit dieser Entscheidung. Aber hinterher hat er dann den Trainer umarmt und alles war gut.
Er schafft es schon, die Spieler spüren zu lassen, dass er zum einen eine Ahnung hat von Fußball, er lässt sie auch wieder so spielen, dass es Spaß macht. Barcelona ist eine Mannschaft, die ein Spiel auch mal hoch gewinnt, die auch jetzt wieder etwas mehr Gegentore bekommt als in früheren Meisterjahren, allerdings auch mal einen Gegner 7:0 wegputzen kann.
Und die andere Seite, neben dem Fußballerischen, ist eben einfach Mannschaftsführung, das Menschliche. Was den Verein und die Fans zufriedenstellt, dass er bereits fünf Spieler aus La Masia hat spielen lassen in diesem Jahr. Damit befriedigt er natürlich das, was der Verein von sich selbst erwartet. Er erfüllt diese Vorgaben an die Identität, die der FC Barcelona einfach hat.
Es muss mehr als ein Klub sein, wie der Slogan lautet. Man muss besonders sein. Man muss sich eben dieser Region verbunden fühlen, den eigenen Ausbildungsprinzipien. Und das kriegt er momentan ganz gut hin. Also er lässt es auf eine gute Weise laufen.”
Hansi Flick-Biograph: “Spektakel sollte man erwarten können”
Jetzt kommt dann die Auseinandersetzung mit seinen ehemaligen Lieblingen, denn wie wir wissen, hat er ja alle Titel abgeräumt mit einem Team der Bayern. Aber wie sehen Sie diese Konstellation? Also die Bayern reisen jetzt nach Barcelona und dann steht da Hansi Flick auf der gegenüberliegenden Trainerseite.
Günter Klein: “Wirklich sehr interessant, eben aufgrund der Vorgeschichte. Interessant auch, weil es zwischen Hansi Flick und Vincent Kompany ja noch nie ein Duell auf Trainerebene gab. Also das wird Terra incognita für Flick, allerdings auch für für Kompany.
Die Mannschaft bei Bayern hat sich natürlich schon komplett verändert. Eine interessante Komponente ist natürlich auch in diesem Spiel Robert Lewandowski, der ja von den Bayern weg wollte und seit Harry Kane da ist, vermisst man den dann nicht mehr so sehr. Also da gibt es auch diese Ebene des Torjägerduells. Sportlich ist das wirklich schwer einzuschätzen.
Normal sollte der FC Barcelona mit seinen Möglichkeiten und in einem Heimspiel eigentlich schon die Mannschaft sein, die man eher so Richtung Sieg tippen würde. Denn ganz einfach, Spanien ist natürlich das Land des Europameisters und es sind sehr gute spanische Spieler in dieser Mannschaft.
Und ich glaube, dass Hansi Flick auch das Glück hat, dass diese nachfolgende Generation jetzt wirklich auch reif ist für den Erwachsenen-Fußball. Und, dass sich diese Situation von Barcelona, die ja durch die finanzielle Lage sehr eingeschränkt gewesen ist, durch dieses überbordende Talent in der Mannschaft doch sehr deutlich aufgehellt hat.”
Glauben Sie, dass Hansi Flick Kompany auscoachen kann?
Klein: “Ich weiß gar nicht, ob die beiden Mannschaften sich überraschen werden. Jede wird versuchen, ihren Stil durchzudrücken. Deswegen wird es mehr über die Einstellung gehen und über das individuelle Talent, vielleicht über Entwicklung in Eins-gegen-Eins Szenen.
Natürlich wird auch Hansi Flick nicht entgangen sein, dass die Bayern in einigen Spielen, dadurch, dass sie sehr hoch verteidigen, eine gewisse Anfälligkeit bieten. Aber das fällt ja auch nicht nur dem Hansi Flick auf, sondern eigentlich der ganzen Fußballgemeinde.”
Haben Sie noch persönlichen Kontakt? Also sind Sie mit Hansi Flick in Verbindung, so dass Sie mal mit ihm über dieses Spiel sprechen konnten?
Klein: “Nein, das habe ich jetzt auch nicht angestrebt. Ich war kürzlich mal zum Urlaub in der Region und hab mir überlegt, ihn da mal zu kontaktieren. Allerdings ist natürlich, das weiß man auch, die Zeit wenn es gerade losgeht bei einem neuen Verein sehr knapp.
Man muss sich einleben und der Spielkalender, der ist natürlich so, dass wenig Zeit bleibt großartig irgendwas anderes zu machen, als sich um die Mannschaft zu kümmern, wenn man wirklich alle drei Tage dann spielt. Ich habe auch gehört, dass er sich die Sprachbarriere, die da gegenüber der spanischen und katalanischen Presse besteht, ganz gut zunutze gemacht hat und dass er eigentlich gar keine Einzelinterviews gibt.
So im Pep Guardiola Style, weil er sagt, er will keinen bevorzugen und keinen benachteiligen. Auch deswegen glaube ich, er wird jetzt auch in der deutschen Zeitung, anders als während seiner Nationaltrainerzeit, vorerst kein großes ‘Hansi Flick: So schön ist es in Katalonien’-Interview auftauchen.”
Dann brauchen wir noch einen Ergebnistipp.
Günter Klein: “Gut, ich sag mal ein 3:2 für die Heimmannschaft. Spektakel sollte man angesichts der Persönlichkeiten die da auf dem Platz stehen, auf beiden Seiten, schon erwarten können.
Günther Klein, vielen Dank.
Günter Klein: “Sehr gerne. Alles Gute.”