Der gebürtige Berliner wuchs in Schwaben auf und begann seine Fußball-Laufbahn in Stuttgart. Erst bei den Kickers, dann für den VfB in der Bundesliga. Die Krönung der Spieler-Karriere stellt für Guido Buchwald sicher der WM-Titel 1990 dar, zudem gewann er zweimal die Deutsche Meisterschaft.
Der Spitzname “Diego” geht übrigens nicht auf seine hervorragende Leistung gegen Maradona im Finale der WM ’90 zurück, sondern stammt aus dem Achtelfinale, als er vor der Flanke zum 1:0 einen Übersteiger zeigte.
Anlässlich der bevorstehenden Spiele der Nations League haben wir über die Spiele der deutschen Mannschaft gegen Ungarn (23. 9., 20:45 Uhr) und England (26. 9., 20:45 Uhr) gesprochen. Und schon mal einen kleinen Ausblick auf die WM in Katar gewagt.
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Guido Buchwald: “Spiele gegen England sind immer Highlights”
Die Generalprobe für die Weltmeisterschaft in Katar steht an und da spielt Deutschland gegen Ungarn. Herzlich willkommen einem Weltmeister, Guido Buchwald!
Guido Buchwald: “Hallo. Grüß Gott.”
Guido Buchwald, die letzten Spiele gegen Ungarn waren unangenehm und auch schwierig. Wie muss man so ein Spiel angehen, als Nationalspieler gegen Ungarn?
“Erst einmal natürlich mit voller Konzentration. Aber es wird automatisch jeder mit voller Konzentration angehen. Ich bin überzeugt davon, dass Hansi Flick sehr offensiv ausgerichtet spielen wird, denn die Stärke, die man in der Offensive hat, die können die Ungarn eigentlich nicht halten. Wenn jeder einigermaßen performt. Egal, wer vorne spielt.
Wir haben nicht nur zwei oder drei Spieler, die Spiele entscheiden und durch ihre individuelle Klasse Tore erzielen und vorbereiten können. Sondern wir haben fünf, sechs, sieben Spieler, die das machen können. Deshalb bin ich absolut überzeugt davon: Hansi Flick wird sehr schnell und sehr frühzeitig pressen, die Ungarn hinten reindrücken.
Sehr hoch stehen wird die ganze Mannschaft und dann sehr kompakt versuchen, über die Geschwindigkeit, die ungarische Defensive, die mit Sicherheit sehr kompakt stehen wird, dann aber auch über die Flügel versuchen aufzureißen und dann Torchancen zu kreieren.”
Außerdem steht das Spiel Deutschland gegen England an. Das ist kein Spiel von der Stange, das ist immer ganz besonders. Erklären Sie uns, warum.
“Ja, das hat Tradition. Eigentlich schon vor ’66, als dieses WM Endspiel in England stattfand. England ist das Fußball-Land eigentlich und von daher muss man sagen: Die Spiele gegen England sind immer kampfbetonte Spiele, das sind immer Highlights. Und ich glaube, für jeden deutschen Nationalspieler und auch für jeden englischen, sind es immer ganz besondere Spiele.
Bei mir war es ’90, das Halbfinale, was auch sehr, sehr eng war. Ein besonderes Spiel natürlich, auf Augenhöhe. Die Engländer haben immer eine kampfbetonte Mannschaft, haben aber auch super Einzelspieler im Team. England ist eigentlich immer ein Mitfavorit und hat es seit ’66 aber auch nicht mehr richtig geschafft. Bei großen Turnieren haben sie immer ein bisschen versagt, muss man sagen.
Aber die Engländer sind für uns immer Highlights. Das sind besondere Spiele und deshalb kann man die ganze Historie ansehen. Überhaupt bei Turnieren selber, was da immer für enge Spielen waren. Mir fällt gerade schon mal spontan 1970 auch ein, Deutschland gegen England in Mexiko, das hat einfach eine gewisse Tradition.
Das ist fast schon wie ein Derby, wie wenn man in der Bundesliga ein Derby spielt. Von daher freut man sich auf so ein Spiel immer und da ist es, glaube ich, Pflicht zuzuschauen.”
Und was wird uns jetzt bei diesem Spiel erwarten? Also in der Nations League? Ich meine, wir sind kurz vor der WM. Das sollte schon auch mit einer extremen Ernsthaftigkeit angegangen werden. Wie muss man gegen die Engländer spielen?
“Gegen die Engländer muss man den Kampf annehmen. Wenn man da meint, man kann nur technisch fein ein Spiel kontrollieren und gewinnen, dann hat man schon verloren. Die Engländer sind auch in einer Findungsphase, wahrscheinlich noch viel mehr als wir Deutschen, weil die Engländer doch in letzter Zeit mit der Nationalmannschaft schlechte Ergebnisse erzielt haben.
Da wird jeder jetzt im Vorfeld WM, Nations League ausgeklammert, wird jeder seine beste Performance abrufen, jeder möchte zur WM und jeder Engländer kann gegen Deutschland zu einem kleinen Helden werden, auch wenn es ‘nur’ ein Nations League Spiel ist.
Ich bin überzeugt davon, das wird ein ganz spannendes Spiel, eine spannende Kiste sehen werden. Man muss, wie gesagt, den Kampf annehmen und ich freue mich auf eine kampfbetontes, schnelles, rassiges Spiel, wo es hin und her geht.”
Hansi Flick hat als einzigen Neuling Armel Bella-Kochap nominiert. Ein Innenverteidiger, der bei Bochum gespielt hat, jetzt bei Southampton, also bei Ralph Hasenhüttl. Wer ist denn für Sie Chef in der deutschen Abwehr?
“Eigentlich der richtige Chef ist nach wie vor Manuel Neuer als Torhüter. Und dann muss ich sagen, die Chef Linie, das ist eigentlich die Bayern Linie. Da kommen Kimmich, Neuer und Müller. Das sind eigentlich die Chefs, die auch die Organisation machen müssen, auch wenn Kimmich ein bisschen weiter vorn im Mittelfeld spielt. Aber er ist der Organisator.
Manuel Neuer ist hinten natürlich der absolute Top-Mann, der die Abwehr organisieren muss von hinten heraus. Das macht er ja eigentlich schon immer. Und deshalb ist es sehr interessant und spannend, wer dann in der Innenverteidigung nachher spielt.”
Wer ist da für Sie Favorit?
“Momentan performen eigentlich alle nicht so optimal, die ganze Defensiv-Organisation, auch in ihren Vereinen. Also Rüdiger ist für mich eigentlich, obwohl er momentan ja auch in Madrid nicht unbedingt spielt, einer der eine große WM spielen kann. Für mich ist er eigentlich gesetzt, weil er letztes Jahr sehr gut gespielt hat. Ansonsten glaube ich sind viele auf Augenhöhe.”
Okay, also da ist für Sie Rüdiger derjenige, der das Sagen haben sollte?
“Könnte er auf jeden Fall.”
Im Sturm haben wir jetzt Nmecha, Müller, die aber auch nicht in Tor Laune sind. Timo Werner ist wieder dabei. Würden Sie weiter auf Timo Werner setzen im Sturm?
“Ich glaube schon, dass er jetzt in Leipzig wieder seine Heimat gefunden hat und ich hoffe, dass er dann auch wieder seine Leistung bringt und seine Tore erzielt. Aber Müller ist natürlich derjenige, der das Kommando gibt und ich bin überzeugt davon: Bei großen Turnieren, bei großen Spielen ist Thomas Müller immer da und auch absolut gesetzt bei Hansi Flick.
Man hat mit Gnabry, mit Sane schnelle Leute, die auch Tore erzielen können. Meistens sind es oft schnellere Leute, die einen schlechteren Abschluss haben. Aber das sind sehr viele Spieler, die sehr gut Eins-gegen-Eins gehen können und sehr torgefährlich sind. Also da mache ich mir eigentlich weniger Sorgen darüber. Und dann hat man ja hinten raus noch einen Goretzka, man hat einen Havertz.
Man hat viele Spieler, die individuell sehr gut spielen können und für jede Abwehr immer ein Problem darstellen können.”
Jetzt gibt es ja viel Gedränge im Mittelfeld. Sie haben ja auch im defensiven Mittelfeld agiert, unter anderem. Wen würden Sie jetzt aufstellen? Wen sehen Sie als die Besten auf diesen Positionen?
“Es ist natürlich jetzt, am Anfang der Saison, sehr schwer zu sagen wie die harmonieren. Es müssen nicht immer die besten Einzelspieler in der Mannschaft spielen, sondern die, die miteinander harmonieren. Ich glaube Hansi Flick wird dann schon auf einen gewissen Bayern Block setzen, was auch Sinn macht. Auch wenn die momentan sehr durchwachsen spielen. Aber ich bin der Meinung alle, die im Mittelfeld sind.
Die Frage ist auch, wie er dann spielt, denn eine richtige Neun haben wir ja eigentlich gar nicht momentan. Wie er dann die Spieler einsetzen möchte, die im Mittelfeld in die Spitze auch rein rücken und dadurch Tor-Gefährlichkeit ausstrahlen. Ich glaube, das flexible Spiel, das haben wir sehr gut drauf. Da freue ich mich auf das Ungarn-Spiel und natürlich auf das England-Spiel, um da zu sehen, was sich Hansi Flick ausgedacht hat, wie er die Nationalmannschaft zur WM bringen möchte.”
“Konzentration und Fokus, das geht Österreich ab”
Dann kommen wir zu einem speziellen, besonderen Spiel: Frankreich gegen Österreich. Herr Buchwald, Ihr schwäbischer Landsmann, sagen wir es mal so, Ralf Rangnick hat ja die österreichische Nationalmannschaft übernommen. Der war unzufrieden nach dem Hinspiel. Das ging 1:1 aus, also unentschieden. Was bringt Ralf Rangnick der österreichischen Nationalmannschaft?
“Der Ralf ist ein Trainer, der unheimlich viel Fußball-Wissen hat. Wenn er eine ordentliche Mannschaft hat – die Österreicher haben sehr gute Einzelspieler – dann weiß er ganz genau, wie er die Spieler zusammensetzen kann, damit es auch eine sehr, sehr gute Mannschaft ist.
Die Österreicher haben immer gute Spieler. Das sieht man auch in der Bundesliga, wie viele Spieler da spielen aus der Nationalmannschaft. Oder in Europa, bei großen Mannschaften teilweise. Wenn die Österreicher sehr gut drauf sind, wenn sie alle ihr Können und ihren Willen, ihre Power einsetzen können, dann kann Ralf Rangnick aus der österreichischen Mannschaft wirklich eine bessere und stärkere Mannschaft machen und das ist sein großes Ziel. Deshalb hat er das wahrscheinlich auch übernommen.
Und für mich ist der Ralf auch in seiner Aura, mit seinem Charisma und auch vom Alter her einer, der für Nationalmannschaften jetzt wirklich ein hervorragender Trainer ist. Leider muss ich sagen, ist Kalajdzic verletzt. Auch unser Stuttgarter Spieler, ein früherer Stuttgarter Spieler. Ich glaube, ihm hätte Ralf Rangnick da gutgetan, auch in der österreichischen Nationalmannschaft.
Ich hoffe eigentlich, dass er seine Ideen, seine Gedanken, die er hat rüberbringt an die Nationalspieler. Dann hat Österreich auch wieder eine sehr gute, kompakte Mannschaft, auf die man immer wieder aufpassen muss.”
Was macht er konkret anders als andere? Wie kann der das Mindset beispielsweise bei den Österreichern erreichen und das leistungssteigernd verändern?
“Ich glaube einfach, mit seiner taktischen Ausrichtung, mit seinem Wissen, wie er jeden einzelnen anpacken kann, indem er jeden Einzelnen einfach auch klarmacht was seine Stärken sind. Er kann aus jedem Spieler seine Stärken rausholen und das zusammen in einen Bund bringen. Das ist das, was die Österreicher brauchen.
Die Österreicher sind alle so ein bisschen locker drauf, muss man sagen. Auch international, auch auf der höchsten Ebene, was sehr gut und sehr positiv ist. Aber die ganze Konzentration, den Fokus zu setzen wenn ein Länderspiel ansteht, wenn ein Spiel ansteht, das ist das, was manchmal den Österreichern abgeht.
Da ist der Ralf der Richtige, um den einzelnen Spielern das beizubringen. Jetzt ist wirklich hohe Konzentration angesagt. Jetzt ist momentan Fokussierung auf das Spiel angesagt und man muss sich dann so weit im Griff haben, dass man das Lässige ein bisschen abschaltet und dann wirklich sehr konzentriert spielt.
Die individuellen kleinen Fehler, die bei Österreich immer wieder drin sind, die muss man abschalten.”
Spieler-Stationen von Guido Buchwald:
Hansi Flick hat gesagt , er “suche in den kommenden Wochen auch nach den Spielern für die besonderen Momente”. Was glauben Sie, wer ist da der heißeste Kandidat? Wir hatten jetzt Hofmann, der bei Gladbach spielt und RB Leipzig am vergangenen Wochenende zerlegt hat. Wen sehen Sie als Spieler für die besonderen Momente?
“Ich glaube, das kann ein Sane sein. Das kann auch ein Gnabry sein oder ein Havartz sein, für besondere Momente. Die einfach durch die Individualität die sie haben, diese Dribbling-Stärke, ein Spiel mitentscheiden können und entscheidende Dinge machen können, um ein Tor zu erzielen. Das ist für mich eigentlich das, was er sucht.
Bei Thomas Müller weiß man, dass er immer da ist und dass er das Kommando führt und torgefährlich ist und die zweiten Bälle bekommt. Aber für so außergewöhnliche Momente, da ist eigentlich für mich nach wie vor ein Sane, wenn er diese Performance vom letzten Jahr wieder bringt, ein Kandidat.
Ein Gnabry kann das machen, der auch mal eine unheimliche Serie gehabt hat, in der Nationalmannschaft. Und dann hat man als Einwechselspieler auch einen Timo Werner, wenn der mit seiner Schnelligkeit reinkommt, der einen kleinen Unterschied machen kann, wenn er wieder richtig in Form kommt.”
Jetzt hatte sich Reus verletzt im Derby. Aber es sieht jetzt so aus, als ob er zur WM dann doch wieder fit werden könnte. Wie sieht eigentlich Ihre Verletzungs-Historie aus? Vor großen Turnieren ist Ihnen glaube ich nichts passiert.
“Vor großen Turnieren nicht, aber in einem großen Turnier. Bei der Europameisterschaft ’88 habe ich mich im Vorrundenspiel verletzt. Leider.
Ich muss sagen: Marco Reus erst mal gute Besserung! Und hoffentlich schafft er es noch. Er kann auch einer sein, der den Unterschied macht. Allerdings braucht er eine absolute Fitness und für ihn wird es, glaube ich, sehr schwer da schnell reinzukommen.
Also, es tut mir immer weh. Oder es ist einfach immer schade, wenn große Spieler sich verletzen, die vor einem großen Turnier stehen. Da muss ich sagen, da hoffe ich, dass er das doch noch hinbringt und dass er das noch schafft, mit dabei zu sein. Und dann könnte er natürlich auch noch ein gewisses positives Element in der Nationalmannschaft sein.”
Herr Buchwald, Dänemark wird ja von einigen auch als Geheimfavorit für die WM gehandelt. Können Sie das nachvollziehen?
“Ich kann es nachvollziehen, weil die Dänen immer einen Teamspirit reinbekommen bei großen Turnieren und da sind sie immer ganz unangenehm zu spielen. Das ist das eine. Das andere glaube ich jetzt nicht, dass die Dänen Weltmeister werden können.
Da sind die anderen Nationen einfach individuell noch besser besetzt. Und es ist eine WM und da bringt jeder von der Einstellung her 110 %. Deshalb glaube ich nicht, dass die Dänen bis zum Ende des Turniers ganz oben stehen werden. Aber sie werden mit Sicherheit für die eine oder andere Überraschung sorgen können. Davon bin ich überzeugt.
Weil sie sehr unangenehm zu spielen sind, weil sie sehr kompakt stehen und auf jeder Position eigentlich jemand da ist, der kein Meter abgibt, sondern um jeden Ball kämpft und jeden Gegner in Zweikämpfe verwickelt. Deshalb ist es sehr schwer, gegen sie ein Tor zu erzielen. Und deshalb glaube ich auch, dass die Dänen eine sehr gute Rolle spielen werden.
Aber Weltmeister auf gar keinen Fall. Das kann ich mir nicht vorstellen, dass sie das ganze Turnier so durchspielen können. Denn die Kraft die sie brauchen, können sie gerade jetzt in Katar, nicht über alle Spiele hinweg aufbringen, um so erfolgreich zu sein, dass sie Weltmeister werden können.”
Vielen Dank an Guido Buchwald. Viel Vergnügen und viel Erfolg euch!
“Sehr gerne. Wir sehen uns. Danke.”
Interview: Carsten Fuß