Nach Leverkusen ist vor Bayern München, zumindest für den VfB Stuttgart. Für dieses Bundesliga Topspiel braucht es Expertise, diesmal in Form von Guido Buchwald.
387 Spiele für den VfB Stuttgart stehen auf seiner Haben-Seite, darunter auch zwei Meistertitel. Er kennt den VfB in- und auswendig, vor allem in seiner erfolgreichen Phase.
In so einer Phase scheint das Team unter Sebastian Hoeneß ebenfalls zu sein. Im Interview bei Beidfüßig erzählt uns Guido Buchwald – als Aufsichtsratsmitglied bei Stuttgart mit Insider-Wissen – wieso es unter Hoeneß so gut läuft und ob es auch gegen den FC Bayern reichen wird.
Guido Buchwald über Sebastian Hoeneß: “Macht alle Spieler 10% besser”
Wettbasis: Besondere Spiele erfordern besondere Analysen und natürlich auch besondere Experten, und einen besseren Experten zum Spiel Bayern gegen den VfB Stuttgart können wir nicht finden. Hallo, herzlich willkommen Guido Buchwald!
Guido Buchwald: “Hallo, guten Morgen!”
Kommen wir zum Spitzenspiel. Kommen wir zum Spiel Zwei gegen Drei, Bayern gegen Stuttgart. Guido, Sie sind ja bei fast jedem Spiel der Stuttgarter dabei. Was sagen Sie, wo liegen deren Stärken?
Guido Buchwald: “Ja, durch die Kompaktheit und durch die tolle Raumaufteilung, die die Stuttgarter momentan haben. Das heißt, sie können immer das defensiven Mittelfeld, die zweite Kette vom Gegner überspielen, über die Halbräume.
Und wenn der Gegner dann manchmal nur mit einem Sechser spielt, dann haben die Stuttgarter da so viel Qualität, sich dort durchzuspielen und dann bis in die Spitze reinzukommen und durch den Guirassy und auch den Undav, da sie manchmal sogar mit zwei Stürmern spielen, da hat man eine riesige Torgefährlichkeit.
Und eine Geschwindigkeit, mit Millot und mit Führich über außen. Da ist eine absolute Power und was sehr gut ist, ist dann auch die Kompaktheit, wie der VfB Stuttgart nachrückt. Die haben die zweiten Bälle, die sie früher nie gehabt haben, haben sie jetzt jedes Mal oder fast jedes Mal, weil sie sehr gut nachrücken, weil jeder weiß, wie er sich in seinem Raum zu bewegen hat und was er zu tun hat.
Und da ist die ganze Kompaktheit, auch mit Zagadou und Waldemar Anton, sie sich unheimlich gemacht haben. Von daher denke ich, das ist die ganz, ganz große Stärke. Der Sebastian Hoeneß hat jeden Spieler 10 Prozent besser gemacht durch die Taktik, durch die Raumaufteilung, die sie haben.
Und dann haben sie einen Spaß, eine Freude, dass sie ihre Qualität auch ausspielen. Das ist einfach richtig schön. Toller Fußball, den der VfB spielt.
Es ist ja nicht nur, dass die Ergebnisse stimmen, sondern es ist auch wie die Spiele gespielt werden. Das ist, was uns Stuttgarter momentan unheimlich viel Freude macht. Der VfB Stuttgart hat auch in München, das hat man die erste Halbzeit gegen Leverkusen gesehen, eine Chance was mitzunehmen. Und wir fahren sehr zuversichtlich nach Bayern.”
Jetzt hast du es schon angesprochen. Guirassy und Undav, ist das die Option auch gegen die Bayern auswärts? Was sagen Sie?
Buchwald: “Es wäre mit Sicherheit eine Option. Warum soll man das nicht machen? Weil gerade die letzte Kette bei Bayern ist ja sehr anfällig inzwischen. Und wenn man dann mit Geschwindigkeit reinkommt, ist es mit Sicherheit eine Überlegung.
Die andere Überlegung wäre natürlich schon mit Guirassy als einzige Spitze und dann mit schnellen Außenspieler, wie ein Führich oder wie Millot, vielleicht da dann die Kette auseinander zu reißen, die Restverteidigung der Münchner zu beschäftigen.
Ich glaube, beide Taktiken kann der VfB spielen in München und da wird sich der Sebastian Hoeneß sich schon sehr viel Gedanken machen, wie er dann aufstellen wird.”
Es ist natürlich auch eine familiäre Angelegenheit, Sie kennen beide Hoeneß-Brüder und auch Sebastian. Erklären Sie uns das Familien-Verhältnis.
Buchwald: “Ich glaube, es ist ein sehr inniges, respektvolles Verhältnis, das die Hoeneß Brüder, und auch mit dem Neffen, haben. Und das sieht man und das spürt man auch. Und das finde ich auch eine ganz tolle Sache.
Aber – und das ist das, was auch wieder super ist – wenn es um den Job geht, da kennen die keine Freunde, der Sebastian möchte gewinnen. Und auch die Bayern bzw. der Uli – der Dieter wird wahrscheinlich neutral, mehr bei seinem Sohn sein – aber der Uli wird da keine familiäre Freundschaft aufkommen lassen. Die müssen auf sich schauen und wollen auch gewinnen.
Es ist, glaube ich, ein ganz tolles familiäres Verhältnis, was die Hoeneß Familien hat. Aber jetzt in dem Spiel, in den 90 Minuten, wird es dann ein harter Zweikampf und jeder möchte gewinnen.”
Können Sie uns Sebastian Hoeneß charakterisieren? Was sind so die drei hervorragenden Eigenschaften, die Sie an ihm benennen würden?
Guido Buchwald: “Ich würde sagen, er hat unheimlich viel Ahnung vom Fußball mitbekommen, durch seine familiäre Geschichte, durch seinen Vater und auch durch seinen Onkel. Bei ihm hat sich von klein auf alles um den Fußball gedreht. Daher hat er da unheimlich viel Wissen. Das ist das eine.
Das andere ist seine ruhige, sachliche Art zu analysieren, nicht abzuheben, auf dem Boden zu bleiben. Er nimmt die Mannschaft mit. Er geht auf die Ebene der Mannschaft runter und dadurch bekommt er einen riesigen Teamspirit.
Und mit dann mit seinem Wissen funktioniert das so hervorragend momentan in Stuttgart. Weil die Spieler vertrauen ihm. Sie wissen von was erspricht. Er spricht nicht von Dinge, die die nicht nachvollziehbar sind.
Und das ist es. Seine ruhige, sachliche Art, sein großes Wissen und sein Teamwork-Verhalten im Endeffekt und er marschiert vorneweg. Und das ist es, was glaube ich das gewisse Erfolgsgeheimnis ist. Und dadurch wird die Mannschaft, und auch jeder Einzelne ein bisschen stärker, jeder hat Vertrauen untereinander.
Dadurch wird der Teamspirit unheimlich angehoben und man spürt es einfach, dass nicht einer sagt ‘Oh, ich muss für den laufen?’, sondern jeder läuft gerne für den anderen. Und dann die Freude auch auf der Bank. Er nimmt auch die die Spieler von der Bank mit.
Und das ist momentan das große Erfolgsgeheimnis des VfB Stuttgart. Und ich hoffe, das wird noch sehr lange so bleiben.”
Man muss ja vielleicht noch mal in Erinnerung rufen: Er war Trainer bei den Bayern, er war aber auch Trainer bei RB Leipzig. Und Ralf Rangnick, der ja auch ein großer Förderer und Entdecker von Julian Nagelsmann war, hat eben auch auf Sebastian Hoeneß gesetzt. Damals war er Nachwuchstrainer bei RB, also insofern schon früh erkannt, ein großes Trainer Talent.
Harry Kane gegen Serhou Guirassy, was für eine Geschichte. Wie sehen Sie den Stürmer-Vergleich?
Buchwald: “Ja, die kann man eigentlich fast nicht vergleichen. Der Harry Kane ist ich schon seit Jahren ein Superstar und passt natürlich auch optimal zu den Bayern, in dem man sich zurückfallen lässt, indem man einfach sehr intelligent auch den Ball immer wieder fordert. Dann auch ein tolles Passspiel hat, egal ob einen langen Pass oder einen Schnittpass, auch als Vorbereiter.
Und der Guirassy ist einer, der einfach absolut ein Box-Spieler ist, der um die Box herum brutal gefährlich ist, seinen Körper einsetzt und sich durchsetzt, aber auch sehr intelligent auch noch. Und das passt eigentlich sehr gut zum VfB Stuttgart.
Mit Undav hat er ein sehr gutes Verhältnis. Deshalb spielt er auch sehr gerne mit ihm zusammen. Also von daher ist es schwer vergleichbar. Beide hätte glaube ich jede Mannschaft in Europa gerne in seinen Reihen.
Und über Harry Kane braucht man nicht allzu viel sagen. Er ist ein absoluter Superstar. Auch die Art und Weise, wie er vor dem Tor sehr cool ist und auch die Tore macht. Also ich würde gerne wissen, wie viel Prozent er von seinen klaren Torchancen rein macht. Das zeichnet ihn unheimlich aus.
Und der Guirassy ist einer, der auch manchmal Tore macht aus dem Nichts heraus. Also am liebsten beide in einer Mannschaft. Und beide sind momentan in der Bundesliga die Spieler, die in der Vorwärtsbewegung die Bundesliga aufrollen und da kann man gespannt sein auf den Vergleich.”
Bleibt er denn beim VfB Stuttgart?
Guido Buchwald: “Ja, es ist natürlich sehr schwierig für den VfB Stuttgart. Ich glaube, mit jedem Sieg hat man eine größere Chance, dass er bleibt. Ich hoffe, dass er zumindest dann bis zum Sommer bleibt. Vielleicht hat er auch den heißen Wunschmit dem VfB Pokalsieger zu werden.
In der Mannschaft selber funktioniert es und ich glaube, der Guirassy weiß auch, wie wohl er sich fühlt in Stuttgart, auch außerhalb, wie hoch er anerkannt wird und in der Mannschaft anerkannt ist.
Ich glaube, er fühlt sich pudelwohl hier. Das ist vielleicht ein Bonus, den wir Stuttgarter haben. Aber natürlich, finanziell träumt er natürlich von anderen Mannschaften und auch von der anderen Liga. Das ist einfach so.
Und das muss man auch respektieren. Wie gesagt, ich hoffe, dass vielleicht diese Saison auf jeden Fall bleiben wird. Das wäre was ganz Tolles für den VfB Stuttgart.
Und dass wir dann in diesem Jahr wirklich eine Saison spielen, wo wirklich alle auch am Ende der Saison sagen, das hätten wir den Stuttgarter nicht zugetraut.”
Guido Buchwald: “Kann nur den Tipp geben, auf Stuttgart zu setzen”
Jetzt haben Sie natürlich schon den Pokalsieg angesprochen. Wie wahrscheinlich ist sowas jetzt? Ich meine, das nächste Spiel ist ja auch nicht ganz einfach.
Buchwald: “Ja die Auslosung war nicht ganz glücklich für uns, für den VfB Stuttgart. Aber auch nicht für Leverkusen. Ich glaube, es ist schon ein vorweggenommenes Endspiel, nachdem alle anderen großen Favoriten ausgeschieden sind.
Also es ist eigentlich schade, dass die beiden Mannschaften aufeinandertreffen. Aber erst mal ist es Pokal mit eigenen Gesetze das ist das eine. Das andere ist, beide Mannschaften sind auf Augenhöhe. Und da hat der VfB genauso gut die Chance weiterzukommen wie Leverkusen.
Und in Leverkusen habe ich persönlich ja auch noch ein ganz tolles Erlebnis, als ich den VfB zur Meisterschaft geköpft habe ’92. Also von daher haben wir in Leverkusen ein ganz gutes Gefühl und gute Erfolge gefeiert. Also denke ich, dass der VfB Stuttgart da nicht chancenlos ist.”
Die Frage abschließend, VfB auf Platz drei und der Abstand zu Platz eins ist nicht groß. Warum soll der VfB nicht Meister werden diese Saison?
Guido Buchwald: “Warum nicht? Die Punktzahl ist eine Meister-Punktzahl. Ich glaube, letztes Jahr nach dem 14. Spieltag mit den 31 Punkten wäre der VfB Tabellenführer.
Es sind wirklich drei Mannschaften. Da muss ich Bayern und natürlich Leverkusen dazunehmen. Das sind drei Mannschaften, die in dieser Hinrunde bis jetzt gepunktet haben, das ist schon eine Sensation. Dass drei Mannschaften so tolle Punktzahl haben.
Wir möchten auf dem Boden bleiben, der VfB Stuttgart ist erst mal richtig froh, dass man da hinten gar nichts zu tun hat, dass man sich langsam ein anderes Ziel setzen kann. Aber das sollen die Fans und die Zuschauer machen. Und ich finde es einfach richtig, dass die Mannschaft von Spiel zu Spiel denkt, auch wenn es eine Floskel ist, aber es ist einfach so.
Sie müssen es einfach den Flow genießen und da von Spiel zu Spiel weiter punkten. Und dann kann man sich immer mal noch Gedanken machen, wenn es mal April ist und man steht immer noch da oben, vielleicht noch ein größeres Ziel anzugehen. Aber momentan sind wir glaube ich alle nur glücklich und happy über unseren VfB Stuttgart und von daher lassen wir mal sehen, wie es weitergeht.”
Stuttgart hat die letzten zwei Spiele in München nicht verloren, wieso also diesmal? Können Sie das unterschreiben?
Guido Buchwald: “Kann ich unterschreiben. Ich kann den Leuten nur den Tipp geben, auf Stuttgart zu tippen. [lacht]
Es ist natürlich schwer. Wie gesagt, wir Schwaben sind immer ein Volk, das sehr bescheiden ist. Und deshalb wäre mal mein Punkt zufrieden. Aber es ist alles, wirklich alles, möglich. Davon bin ich absolut überzeugt.
Man macht die Münchner nach dem Frankfurter Spiel wieder so ein bisschen nieder. Die haben eine sensationelle Vorrunde gespielt. Die Punktzahl, die haben noch ein Spiel weniger und haben schon 32 Punkte. Also das darf man nicht vergessen. die sind so gut besetzt, trotz vieler Verletzte, die sie auch zwischendurch gehabt haben.
Daher muss ich ein bisschen widersprechen, die Bayern spielen eine tolle Saison, auch in der Champions League. Das einzige ist DFB Pokal, wo sie wirklich versagt haben in Saarbrücken. Bayern und Leverkusen – auch Stuttgart – die spielen einfach eine sensationelle Saison und deshalb sind die, das hat man auch in Leverkusen gesehen, auf Augenhöhe.
Ob das über die ganze Saison hin gehalten werden kann. Das muss sich zeigen. Und im Winter sieht man dann ohnehin wieder andere Dinge, mit dem Africa Cup und, und, und. Das wird in der Rückrunde für den VfB auch alles ein bisschen schwieriger.
Interview: Carsten Fuß