Es gibt in Fußball-Deutschland nur wenige bekanntere Gesichter als jenes von Didi Hamann, speziell wenn es um TV-Experten geht. Seit 2017 hat er sich hier erneut einen Namen gemacht, nachdem er bereits als Profi (u.a. Bayern, Liverpool & ManCity) überaus erfolgreich war.
Doch in dieser Rolle macht sich Hamann nicht nur Freunde, denn mit seiner direkten und provokanten Art, eckt er an.
Im ersten Teil des großen, dreiteiligen Interviews mit der Wettbasis, spricht Didi Hamann über seine Herangehensweise ans Experten-Dasein, wie er mit Hass-Botschaften im Internet umgeht, warum seine Kritik am FC Bayern und dem BVB besonders laut zu sein scheint und was man sich in Deutschland im Umgang mit Kritik von England abschauen kann.
Didi Hamann erklärt: “Kein Kontakt zu Vereinen, um unbefangen zu bleiben”
Wettbasis: Seit vielen Jahren sind Sie jetzt Analyst und haben offensichtlich auch Spaß an Ihrem Job. Ist es auch so, dass es Ihnen gefällt, Grenzen auszuloten?
Dietmar Hamann: “Wenn ich etwas sage, dann geht es mir nicht darum, Grenzen auszuloten. Dann geht es mir darum, dem Seher vielleicht einen Blick zu geben, den er nicht hat, oder bisher noch nicht hatte.
Wenn ich da was sage, dann ist das nicht basierend auf ein oder zwei Spielen, sondern dann ist das so, weil ich mir drei, sechs oder neun Monate diese Thematik oder Problematik angesehen habe.
Was mit diesen Aussagen gemacht wird, da habe ich ja keinen Einfluss drauf und deswegen sehe ich das eigentlich relativ entspannt.”
Aber Sie sind ja doch jemand, der polarisiert und damit haben Sie ein Alleinstellungsmerkmal, zumindest in Deutschland, in diesem Analystendasein. Würden Sie sich vielleicht wünschen, auch andere könnten ein bisschen mehr aus sich herausgehen? Oder ist da das Thema: Ich kann nicht diejenigen angreifen, die mich füttern?
Did Hamann: “Im Bezug auf andere Experten im Fernsehn? Nein, ich schaue mir das gerne an, ich schaue mir natürlich viel Fußball an, ich schaue mir auch gerne andere Sportarten an, Tennis, American Football und ich schaue mir dann auch gerne an, wie darüber berichtet wird.
Von anderen Sportarten, von anderen Leuten kann man immer was lernen, aber es steht mir nicht zu, andere Leute, die im Fernsehen einer ähnlichen Tätigkeit nachgehen wie ich, zu bewerten. Also das muss jeder für sich selber ausmachen und deswegen habe ich da eigentlich keine Meinung dazu.”
Das ist wohl das erste Mal, dass sie keine Meinung zu einem Thema haben.
[Hamann lacht]
Die Reaktionen sind schon auch manchmal scharf. Bekommen Sie Nachrichten, wo Sie sagen, das geht jetzt vielleicht über das gewöhnliche Maß hinaus? Also wie ist das Feedback auf Ihre Aktion?
Hamann: “Ja, das passiert natürlich, aber das muss man natürlich immer mit Vorsicht genießen. Es ist natürlich einfach, anonym jemanden zu beleidigen oder zu beschimpfen. Deswegen sehe ich das tatsächlich ganz entspannt. Ich lese natürlich nicht alles, was mir geschrieben wird.
Aber natürlich, wenn man dann mal was sagt über einen bestimmten Spieler oder über einen Verein, dann ist natürlich die Möglichkeit oder die Gefahr schon gegeben, dass man da angefeindet wird. Wenn das bei Beschimpfungen und Beleidigungen bleibt, dann stehe ich da natürlich drüber.
Aber wie gesagt, ich lese nicht alles, deswegen weiß ich nicht alles, was da geschrieben wird. Das sollte so nicht sein, aber im Zeitalter des Social Media ist es anscheinend so und wenn einer anonym dort was schreibt, dann stehe ich da drüber.”
Es gibt ja mit Sicherheit auch den umgekehrten Fall, dass jemand auch von Vereins- oder von offizieller Seite sagt, endlich mal jemand, der klare Kante zeigt.
Hamann: “Das kann so sein, mag so sein, weiß ich nicht. Ja, es kommt schon vor, man trifft ja auch ab und zu mal wen. Und natürlich gibt es da den einen oder anderen, der sagt, mach so weiter, lass dich nicht verbiegen und ja, das hört man natürlich gern.
Aber es ist jetzt nicht so, dass immer, wenn etwas gesagt wird, dass die Leute mir da schreiben, weil ich auch mit den Verantwortlichen ja wenig Kontakt habe und haben will, weil ich will da unbefangen und unabhängig sein. Deswegen habe ich eigentlich mit den Verantwortlichen in der Bundesliga eigentlich kaum oder keinen Kontakt, zu niemandem.
Aber natürlich war ich beim Supercup, ich war beim ersten Saisonspiel, da läuft man natürlich dem einen oder anderen über den Weg und dann unterhält man sich natürlich schon mal, aber das bleibt dann beim Smalltalk und es kann dann schon mal sein, dass einer sagt, gut, dass du das so machst. Das freut mich natürlich, beeinflusst aber natürlich meine Arbeit nicht.”
Hamann über Kritik in England: “Ist dort einfach Teil des Geschäfts”
Wenn Sie etwas bewerten, sind natürlich die Bayern und der BVB schon immer mehr im Fokus. Kann es sein, dass da auch noch ein bisschen mehr reingegangen wird von Ihrer Seite aus?
Didi Hamann: “Nicht wirklich, also das hat eigentlich weniger damit zu tun. Der Grund ist, dass einfach bei Bayern und bei Dortmund in den letzten zehn Jahren immer die besten Spieler gespielt haben. Ja, jetzt sind mit Stuttgart, mit Leverkusen zwei reingebrochen, die Leipziger sind jetzt dabei, aber da spielen natürlich die besten Spieler.
Und ich sage immer so, Kritik ist ja grundsätzlich was Positives, weil das Schlimmste ist doch, wenn man einen Fehler macht, oder wenn man Mist baut und keiner sagt was, denn heißt ja, dass man es nicht besser kann. Deswegen ist ja Kritik grundsätzlich eigentlich immer etwas Positives, weil wenn ich da etwas kritisiere, dann bin ich der Meinung, dass die Spieler es besser können.
Ich kann ja nicht einen Spieler von Darmstadt oder von Holstein Kiel oder von St. Pauli kritisieren, die fast Unmenschliches geschafft haben und aufgestiegen sind in die Bundesliga und dann vielleicht auch die eine oder andere Woche überfordert sind, was ja ganz normal ist, weil sie einfach gegen Spieler oder gegen Mannschaften spielen, die einfach besser besetzt sind. Dann kann ich ja nicht eine Kieler Mannschaft oder die St. Pauli Mannschaft kritisieren, die wahrscheinlich in neun von zehn Fällen gar nicht in der Bundesliga gelandet wäre.
Der Grund, warum das dann die Dortmunder und die Bayern sind, ist einfach, dass natürlich die Ansprüche andere sind und in der Vergangenheit und auch heute wahrscheinlich noch – vielleicht nicht alle, weil wie gesagt da gibt es noch andere Mannschaften – aber dass bei Dortmund und bei Bayern einfach die besten Spieler spielen. Und da müssen die Erwartungen natürlich andere sein, als bei anderen Vereinen.”
Würden Sie sagen, in Deutschland könnte man sich von der englischen Berichterstattung noch etwas abschauen?
Hamann: “In England geht es natürlich schon etwas rustikaler zu. In England ist das Teil des Geschäfts, da ist auch niemand persönlich beleidigt, wenn jemand kritisiert wird. Wenn man sich mal anschaut, was ein Erik ten Hag sich anhören muss und aushalten muss.
Da sind ja täglich Sachen dabei, die ihm irgendwo absprechen, dass er den Job vielleicht noch machen sollte. In England sieht man das alles etwas entspannter, auch von Vereinsseite weiß man oder sieht man, das ist einfach Teil des Geschäfts.
Würde ich mir das wünschen? Also ich werde die Leute nicht ändern können, es ist so wie es ist und das hat alles seine Vor- und Nachteile und deswegen mache ich mir darüber eigentlich keine Gedanken.
Aber es ist schon so, dass es in England wahrscheinlich etwas rustikaler zugeht, als bei uns.”
Im zweiten Teil des Interviews analysiert Didi Hamann die Fehler bei Bayern, BVB und Leverkusen und was er von Jürgen Klopps Wechsel zu RB hält. Im dritten und letzten Teil nennt er den Bundesliga-Senkrechtstarter, den er als Salah-Ersatz sieht und wie Liverpool performt.