Im aktuellen Beidfüßig Startalk spricht eine Ikone der 90er Jahre zum ersten Mal seit einem Jahr exklusiv mit uns. Obwohl Ingo Anderbrügge seine Karriere bei Borussia Dortmund begann, erlebte er seine erfolgreichste Zeit bei den königsblauen Nachbarn.
Gefürchtet war er vor allem aufgrund seiner eiskalten Elfmeter, der gefährlichen Standards und den Weitschüssen mit der “linken Klebe”. Nach seiner aktiven Zeit war er bei Rhein Fire als Kicker im American Football aktiv.
Heute ist er mit vielen Projekten selbstständig und gibt seine Einschätzung zu der Dominanz der Bayern, dem deutschen Fußball international, abgestürzten Traditionsclubs und tiefe Einblicke in die Zeiten vom Aufstieg bis zum Titel mit den “Eurofightern”.
Das komplette Interview ist – wie viele andere aufregende Expertengespräche – im “Wettbasis Sportwetten” Youtube Channel unter “Beidfüßig Star Talk” zu finden.
Ingo Anderbrügge: “Tabellen-Situation hätte jeder unterschrieben”
Heute haben wir einen Ruhrpott-Helden zu Gast, nämlich den Eurofighter Ingo Anderbrügge. Die erste Frage muss sein, was machen Sie nach ihrer aktiven Fußballkarriere?
Ingo Anderbrügge: “Das ist nicht in zwei Sätzen erklärt. Seit 1997 bin ich selbstständig und wir firmieren unter Anderbrügge Sport Concept GmbH und haben zwei starke Abteilungen.
Zum einen die klassischen Fußballcamps mit einem Franchise-System. Bald haben wir deutschlandweit sieben Franchise-Partner, die nach unserer Philosophie arbeiten.
Dann haben wir den Bereich der Aktiv-Welten, Gesund durchs Leben. Da geht es um Team-Building und um das Vermitteln von Werten. An Grundschulen, an weiterführenden Schulen und mit Azubi-Tagen versuchen wir, im Zeitalter der digitalen Welt über den Sport Menschen zusammenzubringen.
Damit sie wieder miteinander reden und aktiviert werden, sich bewegen und Sport treiben. Wir wollen auch gesellschaftliche Werte wie Pünktlichkeit, Disziplin aber auch Ernährung kommunizieren.”
Wie leiden oder gehen Sie mit ihrem Ex-Verein Schalke 04 mit in diesen Tagen?
“Im Moment geht die Kurve gefühlt ja wieder nach oben, auch wenn wir nicht in der Liga sind, in der wir eigentlich sein wollen und wo Schalke eigentlich auch hingehört. Ich muss gestehen, das ist heute das erste Interview zur Schalker Situation seit einem Jahr.
Drehen Sie die Uhr mal ein Jahr zurück, da war es im Winter schon abzusehen, dass man absteigt. Man hatte nicht mehr viel darauf gesetzt, auch wenn man noch gehofft hat. Sie können sich sicher vorstellen, dass in dieser Situation viele Medienvertreter bei den ehemaligen Spielern anrufen, um ein Statement zu hören, warum es so schlecht ist. Aber in der Situation, in der sich Schalke ab dem Winter befand, gab es nicht mehr viel Positives.
Ich fühlte mich nicht in der Lage, den Schlaumeier zu spielen und zu erklären, was alles schlecht war, denn das wusste ohnehin jeder. Wenn der Verein am Boden liegt, da nochmal drauf zu treten, das ist nicht meine Art. Heute ist die Situation eine andere, wo ich als ehemaliger Schalker wieder ein Interview geben kann.
Hätte man im Sommer gesagt, wir stehen zu Beginn der Rückrunde da, wo wir jetzt stehen, dann hätte das jeder unterschrieben. Mit ein, zwei Punkten auf Tuchfühlung zum Aufstieg hätte man genommen. Denn man hat ja im Grunde die komplette Mannschaft gewechselt.”
Anderbrügge über legendäres Trainingslager: “Gab kaum fließend Wasser”
Sie haben selber drei Jahre 2. Liga mit Schalke erlebt. Sind dann aufgestiegen und haben ’97 den Europapokal gewonnen, also eigentlich alles erlebt. Wie wahrscheinlich ist es, dass man Schalke auch mal wieder auf diesem Niveau sieht?
“Wir sind jetzt ein halbes Jahr in der 2. Liga. Nach dem Abstieg war es vergleichbar, als ich damals von Borussia Dortmund kam. Zwar unter anderen finanziellen Voraussetzungen, aber mit einer komplett neuen Mannschaft. Wir haben uns da im ersten Zweitligajahr richtig schwer getan. Wir standen ja kurz vor dem Abstieg in die Regionalliga, die 3. Liga gab es ja noch nicht.
Ich kann mich daran erinnern, als wir bei Union Solingen unter Flutlicht spielten. Das war nach dem Trainingslager in Bad Bertrich unter Peter Neururer, wo es kaum fließend Wasser gab und das schon allein deshalb in die Geschichte einging. In Solingen sah das Flutlicht so aus, als hätten vier Autos mit Fernlicht an den Eckfahnen geparkt. Das war so schummerig und beinahe gruselig. Wir haben zum Glück 3:1 gewonnen.
In diese Situation ist die aktuelle Mannschaft erst gar nicht gekommen. Auch wenn die Pessimisten sagen, man müsse aufpassen, dass man nicht durchgereicht wird. Aber da wurde ein guter Job gemacht und eine stabile Zweitligamannschaft, mit Tendenz Aufstieg, geformt. Deshalb muss man das positiv sehen.
Nach all dem Mist, der in den letzten Jahren passiert ist, sind wir am Aufstieg dran. Der Verein Schalke 04 hat genügend Kraft um in den nächsten ein bis zwei Jahren aufzusteigen, wenn sich diese Begeisterung auf das Publikum und die Sponsoren übertragen lässt.
Das Gefühl, dass sich da wieder etwas entwickelt, hat man. Denn eines wissen wir, Schalke 04 hat weiterhin die Fans. Auch wenn junge Kinder keine Schalke Fans werden, weil man in der zweiten Liga ist, der Bestand wird bleiben. Einmal Schalke, immer Schalke.”
Leistungsdaten von Ingo Anderbrügge
Sie waren im März Teil einer Initiative, die Ralf Rangnick wieder zu Schalke holen wollte, das ist dann nicht geglückt. Wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen Führung?
“Mein einziges Argument war damals Bodo Menzel. Denn ich habe in meiner aktiven Zeit Bodo erlebt und es gibt kaum einen integreren Menschen als ihn. Als er rief, habe ich gesagt: Zuschauen ist auch doof.
Ich saß vor Fanclubs die mich baten, ob ich nicht helfen könnte. Ich habe daher meinen Kopf zur Verfügung gestellt, auch wenn ich nie in der Lage war, eine Strategie zu entwickeln. Etwas zu tun, konnte die Lösung sein.
Am Ende geht es aber nicht um meine Person, oder um die Gruppe, sondern um Schalke 04. Dieser Club wird länger leben, als wir alle. Wir können froh sein in dieser Ära etwas für den Club zu tun, aber es muss immer der Verein im Vordergrund stehen.”
Es sind viele Traditionsclubs, gerade aus dem Westen, abgestürzt. Beispielsweise können wir Duisburg, Aachen, Essen oder Oberhausen nehmen. Trauern Sie um diese Clubs oder sagen Sie, wer besser arbeitet verdient es auch oben zu spielen?
“Beides. Das ist ja wie im echten Leben. Wer fleißig ist und in der Schule aufpasst, der hat Erfolg. Fleiß muss belohnt werden. Wenn ein Kind mit einem 5er nach Hause kommt, sollte man mit dem Kind diskutieren, warum das so ist und nicht mit dem Lehrer, warum er dem Kind keinen 4er gibt. Man muss dem Kind sagen, mehr zu lernen, zu üben und zu üben.
Ich bin im Leistungssport groß geworden, mir haben Trainer gesagt, wenn man Muskelkater hat, muss man am nächsten Tag trainieren. Deshalb sage ich, es muss auch für kleine Vereine die Möglichkeit geben, wenn man gut arbeitet, fleißig ist und ein gutes Scouting betreibt, dann muss das belohnt werden.
Ich würde die Traditionsvereine gerne Fragen, was sie in den letzten Jahren gemacht haben. Man muss das Rad ja nicht neu erfinden. Der VfL Bochum hat zehn Jahre darauf gewartet und hat es endlich wieder geschafft, das muss doch belohnt werden.
Die Traditionellen sollten sich hinterfragen und nicht über die anderen schimpfen. Denn Tradition heißt nicht, ich spiele die nächsten zwanzig Jahre erste Liga.”
Anderbrügge über die Bayern: “Bein stellen, sonst lachen die sich doch schlapp”
Die Bayern sind in der Liga schon wieder enteilt. Was muss in der Rückrunde passieren, damit das nochmal spannend wird?
Man hat immer das Gefühl, wann schafft es endlich einer? Wann schafft es Dortmund, wann schafft es Leipzig, wann schafft es Leverkusen? Mit eigentlich überragenden Spielern. Aber da ist eben auch die Frage, wie viele Spiele machen die Leistungsträger auf Top-Niveau und wie viele machen die einzelnen Spieler bei Bayern München auf Top-Niveau. Das ist am Ende das, was man hinterfragen muss.
Man muss die Bayern nicht mögen, aber am Ende mache sie über Jahre vieles richtig. Sie holen sich rechtzeitig die richtigen Spieler. Obwohl ich die Kontostände bei Bayern und Dortmund nicht kenne, liegt es bei Dortmund nicht nur am Geld. Obwohl sie immer wieder richtig coole Neuverpflichtungen haben, geben sie auch immer viel ab, kriegen das wieder gebacken und trotzdem reicht es nicht.
Der Liga würde das richtig gut tun, wenn den Bayern mal einer ein Beinchen stellt und dann müssen die mal die Fäuste spielen lassen. Wir müssen sie reizen, sonst lachen die sich ja schlapp über die Liga.
Das zehnte Mal hintereinander, das kann ja nicht sein. Also Mannschaften wie Leipzig, Leverkusen, Dortmund, habe ich einen vergessen, dem man es zutrauen könnte?
Die Freiburger sind auch nicht so schlecht.
“Dem Trainer wäre es wirklich zu gönnen. Wie die da ihren Job machen, jetzt auch mit dem neuen Stadion, warum nicht mal?
Ich glaube Leicester war es in England, warum nicht? Mal die Bayern ärgern. Macht eure Hausaufgaben richtig und gebt euch nicht mit Platz zwei oder drei zufrieden.”
Muss sich der BVB auf die Pokalwettbewerbe konzentrieren, DFB Pokal oder Europa League? Vielleicht holt ja auch nach Jahren der Abstinenz ein deutscher Verein diesen Titel?
“Ich würde dem BVB nicht empfehlen, sich nur auf einen Wettbewerb zu konzentrieren. Sie habe einen starken Kader um alle drei Aufgaben anzugehen. Nach dem frühen Aus in der Champions League ist die Europa League jetzt das Ziel.
Nichtsdestotrotz sind die Bayern aus dem Pokal raus, wo man oft nur von ihnen zu stoppen war, das wird man parallel angehen. Die Liga werden sie aber auch nicht aus den Augen verlieren, da drängen auch ein paar Mannschaften hinten ran, um auch Champions League zu spielen.
Aber die Jungs werden fitter, jetzt kommt die Winterpause, viele kommen zurück, sodass sie sich nicht nur auf einen Wettbewerb oder zwei beschränken wollen.”
Warum tun sich die deutschen Mannschaften international so schwer?
“Das möchte man manchmal gerne wissen, warum das so ist. Wir haben auch tolle Teams und spielen guten Fußball. Ob dann die anderen hungriger sind, oder die Liga doch ausgeglichener ist? Das sind keine Ausreden.
Der deutsche Fußball, mit den handelnden Personen drumherum, arbeitet so professionell. Da wird nichts dem Zufall überlassen und auch das ist etwas, wo wir den anderen ein paar Prozent voraus sind.
Aber da müsste man mal einen Trainer fragen, der im Ausland gearbeitet hat und weiß, wie die Mannschaften ticken. Sind sie am Ende noch galliger auf die europäischen Wettbewerbe? Oder hat der deutsche Fußball da tatsächlich, mit Ausnahme Bayern München, etwas nachgelassen? Ich möchte das auch nicht so pauschalisieren.”
Sie haben relativ spät in ihrer Karriere den UEFA-Cup mit den Euro-Fightern geholt. Was bedeutet dieser Titel für Sie?
“Nächstes Jahr haben wir 25 Jahre Jubiläum, da wird eine Feier geplant und wir reden noch immer darüber. Jeden Monat habe ich mit jemanden darüber mindestens einen Satz verloren. Entweder bekomme ich eine Eintrittskarte zu sehen, eingerahmt und toll hinterlegt, oder ich sehe ein Foto.
Mittlerweile glaube ich, ich habe alle 30.000 Zuschauer getroffen und die Hand geschüttelt. Aber dann kommt wieder einer um die Ecke und sagt er war auch da, wo ich denke, jetzt müsste ich den Letzten haben. (lacht)
Das hat uns Spielern in dieser Zeit so geprägt und man kann das gar nicht in Worte fassen, was wir damals bewegt haben. Das begleitet mich mein Leben lang. Überragend. Das ist gar nicht mit dem Bild im Museum zu vergleichen. Das tragen wir im Herzen bis zum Ende unseres Lebens.”
Ingo Anderbrügge: “Brauchen die gewaltbereiten Fans nicht”
Ihre linke Klebe war legendär, das war Ihr Markenzeichen. Wenn sie auf die aktuelle Bundesliga schauen, gibt es da einen, von dem Sie sagen würden, der hat einen tollen Schuss?
“Ja, unser linker Außenspieler Ouwejan, der hat einen richtig guten Hieb.
Was ich aber allgemein in den letzten Jahren feststelle ist, dass man immer in den 16-Meter-Raum spielen möchte und es kaum mehr Fernschüsse gibt. Selbst beim Tor des Monats hat man wenig Weitschüsse. Wird das nicht mehr trainiert? Auch bei zu kurzen Ecken denke ich mir das.
Bei mir hat Jörg Berger die Freistoßmauer hingestellt und wir schossen nochmal ein paar Standards und Ecken, auch wenn alle schon in der Kabine waren. Heute mit den leichteren Bällen, die auch mal abrutschen, gibt es schon ein paar richtig Gute. Ich glaube jede Mannschaft hat einen oder zwei Kanoniere. Aber traut euch!
Helmut Schulte hat mal gesagt, wenn du nicht weißt wohin, dann schieß auf’s Tor. Das kann man auch trainieren. Knallt auf die Hütte, gerade wenn sie abrutschen, oder noch abgefälscht sind, ist das für eine Torwart nicht machbar.”
Sie sind 2003/04 in die NFL Europe zu Rheinfire gewechselt. Wir haben auch vor ein paar Wochen mit Axel Kruse über dessen Football-Vergangenheit gesprochen. Was konnten Sie da mitnehmen?
“Axel und ich waren gemeinsam in den USA im Kicking-Camp. Ich fand es auf jeden Fall cool, die Chance zu bekommen – obwohl man eigentlich schon im Leistungssport Ruhestand war – eine neue Sportart kennenzulernen.
Mental haben mir meine entscheidenden Elfmeter geholfen damit umzugehen. Denn man geht nur einmal aufs Feld um zu kicken. Die Technik entwickelt man. Aber was ich mitgenommen habe war unglaubliche Disziplin und unheimlich hartes Arbeiten. Die Spieler respektieren den Coach mehr. Und sie respektieren und akzeptieren die Entscheidung des Schiedsrichters viel schneller als im Fußball.
Auch der Respekt zwischen den Fans ist anders. Zwar wird für die eigene Mannschaft gejubelt und diese angefeuert, aber auch bei einer Verletzung des gegnerischen Spielers steht man auf.
Davon würde ich mir ein paar Prozent im Fußball wünschen, dass man auch die gegnerischen Fans akzeptiert, es ist sehr friedlich. Da darf der Fußball nicht abdriften. Wir brauchen die wenigen Prozent an Gewaltbereiten nicht, weswegen die Kinder Angst haben zum Derby zu gehen.”
Herr Anderbrügge, danke für das Gespräch und viel Grüße nach Recklinghausen.
“Vielen Dank, schöne Feiertage. An alle Schalke Fans, bleibt dem Club treu. Glück auf!”
Interview: Carsten Fuß
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