Das Viertelfinale dieser EM 2024 wird vom absoluten Topspiel eröffnet, wenn Deutschland und Spanien aufeinandertreffen.
Wenn die zwei überzeugendsten Teams des Turniers die Schwert kreuzen, können kleine Details bereits entscheiden. Welche das sein werden, darauf blicken die Experten Günter Klein, Miguel Gutierrez, Guido Buchwald und Turid Knaak.
Gemeinsam blicken sie auf die Taktik, mit der das DFB-Team in diese Begegnung gehen muss, für welche Aufstellung sich Nagelsmann entscheiden wird, wo die großen Schwachstellen der Spanier liegen und wie der Deutschland – Spanien Tipp aussieht.
Günter Klein über DFB-Team: “Gewisse Sicherheit ist vorhanden”
Guido Buchwald warnt vor Spanien:
“Stuttgart ist immer ein sehr, sehr guter Spielort für die Nationalmannschaft. Das ist das eine und der Heimvorteil natürlich auch. Aber es wird unheimlich schwer.
Die Spanier, die muss man beschäftigen. Da muss man eklig spielen. Man muss sie immer wieder in Zweikämpfe verwickeln, damit sie ihr Spiel nicht aufziehen können. Sie sind technisch sehr gut, haben einen sehr guten Matchplan, haben auch Geschwindigkeit, können über Außen kommen.
Also es ist wirklich eine absolute Weltklasse-Mannschaft momentan und ich hab das eigentlich nicht gedacht – weil sie ja doch eine relativ junge Mannschaft sind – dass sie sich so kompakt und so gut in diesem Turnier präsentieren und sich auch nach Rückschlägen nicht aus ihrer Ruhe bringen lassen.
Also ich muss sagen, es wird ein ganz, ganz schweres Spiel, aber ich freue mich drauf, weil wir sind auch hochmotiviert, sind auch im Großen und Ganzen immer sehr sehr gut drauf. Auch wenn wir in den Spielen immer wieder Phasen haben, die nicht so gut sind.
Die muss man halt überstehen. Und dürfen die Spanier da nicht zu Toren kommen lassen.”
Turid Knaak über mögliches 3-5-2:
“Situativ vielleicht. Ich glaube, dass es situativ immer wieder wichtig sein wird, dass sich beispielsweise Robert Andrich tief in die Kette fallen lässt, sodass wir ein bisschen durchschieben können, dass unsere Außenverteidiger – auf der einen Seite Kimmich, auf der anderen Seite werden wir sehen, entweder Raum oder Mittelstädt – noch ein bisschen weiter noch durchschieben können und Yamal und auch Williams direkt bei der Ballannahme stören können.
Wichtig wird auch sein, sollten wir in einer Viererkette spielen, dass unsere offensive Außenspieler auch immer wieder nach hinten mitarbeiten zum Doppeln. Weil ich glaube, anders kann man Yamal und Williams nicht in den Griff kriegen, als dass man sie immer wieder bei der Ballannahme stört und auch doppelt.
Also ich weiß nicht. Ich glaube, eine situative Fünferkette ist okay. Ich glaube sonst die gewohnte Viererkette, in der wir uns auch wohlfühlen. Und wie gesagt, viel Arbeit zurück, auch von unseren Außenspielern.”
Günter Klein über deutsche Ruhe:
“Also, wenn die Deutschen Angst hätten, würden sie es sicher nicht zugeben. David Raum ist zum Thema Angstschweiß ja mal angesprochen worden in der Pressekonferenz. Und er hat dann die Arme nach oben gestreckt, um zu zeigen, dass sich in den in den Achseln bei ihm nichts gesammelt hat
Das hat sich ja seit März aufgebaut und das hat sich im Verlauf des Turniers ja auch verstärkt und und bestätigt dadurch, dass man jedes Mal gut ins Spiel gekommen ist.
Auf die eigene Leistung ist eine gewisse Sicherheit vorhanden. Aber natürlich ist man sich genauso darüber im Klaren, dass jetzt am Freitag ein sehr großes Kaliber wartet, und das geht nicht ohne über die Außenspieler Williams und Yamal zu sprechen.”
Klein über Mittelfeld als Spaniens Stärke:
“Nach Außen hin bin ich mir nicht so sicher (ob das so gesehen wird). Es ist wahrscheinlich für den Zuschauer, der mit ein bisschen mehr Tiefe reingeht und nicht so auf das Spektakel schaut, wahrscheinlich schon das Herzstück des spanischen Spiels.
Und dieser Zuschauer wird dann vielleicht auch festgestellt haben, dass bei den Deutschen, in einem zunächst klar beherrschten Achtelfinale gegen Dänemark, die eigene Mittelfeldkontrolle ein wenig verloren gegangen ist.
Also in dieser letzten halben Stunde des Spiels gegen Dänemark waren eigentlich nicht Toni Kroos oder Ilkay Gündogan die Protagonisten, sondern es war eindeutig auf der anderen Seite Christian Eriksen, der das Spiel an sich gezogen hat.
Also da ist eigentlich im deutschen Spiel, im Mittelfeld und in Sachen Dominanz, schon noch ein Fragezeichen vor dem Spiel gegen Spanien.”
Klein über Deutschlands Aufstellung:
“Also Nagelsmann hat ja in der Vorrunde immer mit der gleichen Elf begonnen. Dann hat er zum Achtelfinale wechseln müssen, allerdings auch einen strategischen Wechsel genommen, mit Leroy Sane für Florian Wirtz.
Der Bundestrainer hat gemeint: Ich kenne die Aufstellung, aber ich verrate sie nicht. Das hat er ja bei den anderen Spielen zuvor anders gehandhabt. Ich glaube, dass er schon vielleicht eine Überlegung hat mit Maximilian Mittelstädt statt David Raum, da der defensiv ein bisschen verlässlicher erscheinen mag.
Auf der anderen Seite hat David Raum jetzt natürlich mit seinen Leistungen als Einwechselspieler gegen die Schweiz und auch als Faktor im Spiel gegen Dänemark – mit Vorlage – schon eine Vorleistung gebracht, die es rechtfertigt ihn drinnen zu lassen.
Die andere Frage, die wird einfach sein, Leroy Sane oder Florian Wirtz. Der Abstand vom Achtelfinale sind nur ein paar Tage und Sane ist mit einer Entzündung des Schambeins mit zur Europameisterschaft gekommen, auch wenn sie nachlässt. Also könnte Florian Wirtz zurückkehren.
In der Pressekonferenz ist Wirtz dann gefragt worden, ob er seine Anwesenheit als Zeichen werten kann, dass er dann am Freitag in Stuttgart auflaufen wird. Und er hat gesagt, es ist noch keine Entscheidung gefallen, ob er von Anfang an spielt. Ich glaube, die anderen Positionen sind alle klar.”
Guido Buchwald über Aufstellung:
“Also ich würde auch Sane bringen. Es ist unheimlich wichtig, dass Sane verinnerlicht, dass wenn wir die Dribblings machen – und Sane hat das bei Bayern in der Vorrunde unheimlich bewiesen – bei Ballverluste im Sprint zurück und sofort Gegenpressing und Druck gemacht auf die auf Gegner.
Und da hat er sich unheimlich viele Bälle mit einer Geschwindigkeit wieder zurückgeholt. Das ist der Schlüssel, wir müssen unser Spiel trotzdem machen, müssen auch versuchen bei Ballverlust sofort den Gegner unter Druck zu setzen.
Das Mittelfeld ist das spanische Prunktstück, ja. Dadurch, dass man mit Yamal und Williams über Außen unheimlich viel Geschwindigkeit hat, kommt natürlich das Mittelfeld viel besser zur Geltung. Weil jeder Gegner bei den Spaniern auch aufpassen muss über die Außen.
Und das ist sehr laufintensiv. Wir dürfen unser Vorwärtsspiel nicht vernachlässigen, aber müssen sofort gegen die Spanier nach Ballverlust hinter den Ball kommen und Druck machen auf den Ballführenden.
Und wenn man das verinnerlicht, wenn man das macht, dann ist der Sane einer, der das unheimlich gut gemacht und gezeigt hat, nur er muss es zeigen und er muss topfit sein. Und das weiß ich halt momentan auch noch nicht.
Er hat sich gesteigert, hat noch nicht die beste Performance, aber er hat sich gesteigert. Wenn er sich weiter steigert, könnte er für uns sogar ein ganz guter Faktor werden das Spiel zu entscheiden.”
Deutschland – Spanien Vorschau: “Maschinerie nicht ins Rollen kommen lassen”
Turid Knaak über Pressing:
“Ich fand es auch bezeichnend, die Georgier waren im Spiel gegen die Spanier auch total mutig, haben direkt das Aufbauspiel und auch den Übertrag ins Mittelfeld der Spanier gestört.
Und man hat gesehen, dass die Spanier damit auch zumindest in der ersten Halbzeit enorme Probleme hatten. Und ich glaube auch, dass das der Weg sein muss, dass man diese spanische Maschinerie nicht ins Rollen kommen lässt, sondern dass man ihnen auch ein bisschen Spaß am Spiel nimmt.
Das nimmst du natürlich, wenn du ihn auch früh den Ball wegnehmen kannst und den kannst du ihnen nur wegnehmen, wenn du sie auch angreifst. Ich würde auch sagen, man darf nicht den Fehler machen, zu viel Angst zu haben, zu tief zu stehen und die Spanier ins Spiel kommen zu lassen, sondern höher attackieren und selber auch das Spiel machen zu wollen.
Wenn ein Land wie Georgien das schafft, glaube ich, dann können wir das auch.”
Guido Buchwald über Körperlichkeit:
“Natürlich müssen wir auch körperlich spielen. Ich bin auch der Meinung, wir müssen hoch angreifen. Ich habe schon vorher mal gesagt, wir müssen eklig spielen, das heißt, die Spanier immer wieder in Zweikämpfe verwickeln, dass sie sich verzetteln, damit sie ihr tolles Spiel nicht nicht richtig ausführen können.
Und ja der Rüdiger hat schon gezeigt, über die letzten Jahre, dass jeder Gegner sehr viel Respekt vor ihm hat und dass er körperlich betont spielt. Und wenn er das in Maßen macht, dann tut das der eigenen Mannschaft unheimlich gut und das ringt dem Gegner immer unheimlich viel Respekt ab.
Von daher kann er ruhig auch mal das körperliche Spiel mit einbringen. Aber nicht nur er, sondern alle. Ob jetzt Raum oder Mittelstädt links spielt, die müssen auch versuchen, körperlich immer wieder präsent zu sein und einfach stark und stabil zu spielen, damit die Spanier sehen: Ja okay, wir haben zwar eine tolle EM gespielt, aber heute ist was ganz was anderes.
Ich glaube, wir dürfen nicht sagen, wir müssen jetzt schön Fußball spielen. Wir müssen jetzt richtig Deutsch spielen eigentlich, körperbetont spielen und dann kommen unsere Stärken automatisch zum Tragen.
Die Spanier sind natürlich eine Mannschaft, die immer technisch auf ganz hohem Wert agieren und versuchen immer ihr spielerisches Knowhow durchzusetzen und es ist immer schwierig gegen sie.
Da muss man wirklich kompromissloser spielen und attackieren. Wir haben alle den Matchplan vorgegeben, Spanien in Zweikämpfe zu verwickeln, weil die dann sehr schwer umschalten können und einen neuen Plan entwickeln müssen. Sie haben ihren Fußball intus und wenn man den ein bisschen zerstören kann mit Aggressivität, dann haben wir wirklich große Chancen.”
Turid Knaak über Havertz vs. Füllkrug:
“Das ist ein klassisches Spiel für Havertz. Ich glaube, dass wir seine Tiefenläufe brauchen, er macht Bälle sowohl fest, geht aber auch in die Tiefe, zieht Räume. Ich glaube, dass er uns mit seiner Spielweise auf jeden Fall gut tut.
Und wie immer wir haben Niclas Füllkrug auf der Bank, sollten wir am Ende ein Tor schießen müssen oder in einer möglichen Verlängerung. Für das Spiel kommt uns die Spielweise von Havertz etwas mehr entgegen.”
Miguel Gutierrez über Spaniens Schwäche:
“Also eine Sache macht Spanien große Sorgen. Und zwar Spanien ist in der Defensive momentan überhaupt gar nicht gefordert worden, das muss man sagen.
Sehr wenige Male, die das passiert ist – ob gegen Kroatien im ersten Spiel, Italien hätte fast am Ende auch sogar noch das 1:1 gemacht und gegen Georgien – also das macht nicht unbedingt sehr optimistisch. Man darf gespannt sein, in wie weit Deutschland Spanien in die eigene Abwehr hineindrücken kann.
Also Deutschland muss erst mal die Duelle im Mittelfeld gewinnen. Ich glaube, das Spiel wird im Mittelfeld entschieden. Das wird ganz wichtig sein. Und klar, Deutschland ist vielleicht fußballerisch – das ist so generell die Meinung – ein kleinen Ticken schlechter als Spanien.
Aber Deutschland muss insbesondere über Charakter, über Mentalität, über Kampfgeist, also über das, was in Deutschland Fußball immer so ein bisschen ausgemacht hat, in das Spiel kommen.”
Gutierrez über Schwachpunkte & sein Tipp:
“Und natürlich der Torwart Unai Simon, der hat bei hohen Bällen Probleme. Also er ist kein Weltklasse Torwart, er ist ein guter Torwart. Aber er ist nicht zu vergleichen mit dem damaligen Weltklasse Torwart Iker Casillas. Also da haben die Spanier auch schon ihre Schwäche.
Und ich bin gespannt auf das Duell Musiala gegen Le Normand, denn er ist nicht der schnellste Innenverteidiger. Also da haben die Spanier schon Probleme und man darf gespannt sein. Wie gesagt, Deutschland muss Spanien in die eigene Hälfte hineindrücken und dann hat Deutschland durchaus keine schlechte Chance, weiterzukommen und Tore zu generieren.
Ich sage, Deutschland gewinnt knapp 1:0. Ich glaube, es wird kein Spiel mit vielen Toren. Also es wird kein 3:2 oder sowas Ähnliches. Also ich bin optimistisch, wenn ich sage, Deutschland kommt auch mithilfe des Publikums weiter.
Turid Knaak mit ihrem Tipp:
“Ich sage 2:1 nach Verlängerung für Deutschland, 1:1 nach 90 Minuten.”
Guido Buchwald mit seinem Tipp:
“Ich bin auch bei 1:1 nach 90 Minuten. Und dann aber ein 3:2. In der Verlängerung werden viele Tore fallen.”