Als aktiver Profi absolvierte der 1,93 Meter große Marinus Bester seine meisten Spiele für den HSV bzw. deren zweite Mannschaft.
Zudem war er auch für den VfL Hamburg, Concordia Hamburg und den Lüneburger SK im Einsatz, er ist also Hanseat durch und durch.
Im Gespräch mit Beidfüßig blickt der ehemalige HSV-Co-Trainer auf das Duelle gegen Holstein Kiel, auf die Stärken und Schwächen der Hamburger Klubs und deren Ambitionen.
Marinus Bester über HSV: “Aufstieg entscheidet sich über Defensive”
Wettbasis: Herr Bester, wir sind beim Spiel HSV gegen Holstein Kiel. Was macht Kiel besonders gefährlich?
Marinus Bester: “Ich glaube, dass sie als Mannschaft sehr gut funktionieren. Sie haben aus meiner Sicht jetzt keine Spieler, die da komplett herausstechen.
Sie funktionieren als Mannschaft gut, sie haben einen guten Spielplan, den setzen sie gut um und eins ist ja auch immer ganz wichtig im Fußball, die muss man erst mal knacken! Und das ist schwer genug.
Der HSV hat, glaube ich, in den letzten vier Spielen in Kiel zweimal unentschieden gespielt, einmal gewonnen und einmal verloren. Also, dass der HSV nach Kiel fährt und einfach mal sagt: ‘Den Dreier, den nehmen wir mal locker mit’, so wird es wahrscheinlich nicht sein.”
Was auffällig ist: Zuhause ist Hamburg stabil, auswärts ist es eine ganz andere Situation. Wie ist das eigentlich zu erklären?
Bester: “Eigentlich gar nicht, weil man ja eigentlich erwarten könnte, dass der HSV die Lehren aus den letzten zwei, drei, vier Spielzeiten gezogen hat. Man hat ja immer so ein bisschen das Gefühl, wenn sie auswärts spielen, gerade auch bei Mannschaften gegen die man eigentlich gewinnen muss, wenn man oben ein großes Wörtchen mitreden möchte.
Man stelle sich nur mal vor, die Niederlage in Elversberg, beim VfL Osnabrück oder auch das Unentschieden gegen Wiesbaden, man hätte da gewonnen, dann wäre man sicherlich, mit St. Pauli zusammen der Liga ein bisschen enteilt.
Das ist nicht geschehen. Die Jungs werden sicherlich wissen, warum. Ich glaube, dass der HSV immer noch seine Probleme in der letzten Kette hat, in der Verteidigung. Nach vorne hin ist alles in Ordnung. Das ist auch in den letzten Jahren so gewesen.
Für den HSV wird sich da der Aufstieg oder Nicht-Aufstieg entscheiden. Ob sie in der Defensive stabiler werden und zumindest in den Heimspielen schaut es ja so aus. Da hat es ja auch schon mit Sicherheit drei oder vier Zu-Null-Spiele gegeben. Das ist gut, aber auswärts tut sich der HSV schwer.
Es ist klar, für jeden Verein ist es gefühlt immer das Spiel der Saison, gegen den HSV zu spielen. Aber das ist nicht neu für den HSV. Darauf müssen sich die Spieler einstellen, und da muss der HSV dann auch Lösungen finden.
Gerade der Fakt, dass das Kiel zu Hause jetzt alles andere als eine Macht ist, ist ja nicht von der Hand zu weisen. Gleichwohl glaube ich einfach, dass sich der HSV nach wie vor auswärts wirklich, wirklich schwertut und teilweise unnötige Gegentore fängt.
Ich glaube eher, dass sie mit einem Punkt vom Hof reiten, zurück nach Hamburg. Mehr wird nicht drin sein. Wenn es mehr wird, freut mich das natürlich als HSV-Fan.
Aber ich glaube, dass wenn das so weitergeht, sie auswärts immer mal wieder punkten, bloß nicht verlieren und zu Hause dann die drei Punkte jeweils immer sichern, dann wird der HSV sicherlich ein ganz, ganz lautes und großes Wort in Sachen Aufstieg mitreden.”
Bester über FC St. Pauli: “Mannschaft der Stunde”
Es könnte das erste Mal überhaupt werden, dass St. Pauli eine Saison vor dem HSV beendet. Warum sind die aktuell so erfolgreich?
Marinus Bester: “Ja, ich glaube, dass der FC St. Pauli, wenn man auf die Mannschaft schaut, wie sie sich entwickelt hat, extrem stabil ist. Gerade in der Verteidigung. Sie haben die wenigsten Gegentore aktuell in der 2. Liga, das ist für St. Pauli-Verhältnisse sehr ungewöhnlich.
Aber da zeigt sich auch was möglich ist, wenn man stabil in der Defensive steht, und nach vorne hin sind sie auch sehr kreativ. Sie haben jetzt auch nicht den einen Stürmer zum Beispiel, der da komplett heraussticht, dass man sagen könnte, wenn man den ausschaltet, dann lahmt das Offensivspiel vom FC St. Pauli.
Diese Mannschaft, die hat sich echt klasse entwickelt. Wenn man mit der Raute im Herzen aufgewachsen ist, fällt einem sehr schwer, das anzuerkennen, aber das muss man halt einfach machen. Der FC St. Pauli steht aktuell absolut zurecht dort oben, sie spielen sehr attraktiven Fußball und auch Spiele, wie jetzt gerade gegen Elversberg, wo der HSV verloren hat, hat St. Pauli gewonnen.
Also insofern, die machen aktuell sehr, sehr vieles richtig. Im übernächsten Spiel ist es ja dann so weit, dass sie gegeneinander spielen, am Millerntor. Das wird sicherlich auch ein Highlight.
Aber ich glaube, dass sich St. Pauli da aktuell keine Sorgen machen muss, gegen Hannover 96 nicht zu gewinnen.”
Fabian Hürzeler ist ja mit Sicherheit das Mosaiksteinchen für diesen Erfolg. Erklären Sie uns Hürzeler als Coach.
Bester: “Ich glaube, dass er einen sehr, sehr guten Zugang zu seiner Mannschaft hat, und die Mannschaft von dem, was er vorhat und was er spielen möchte, zu 100 % überzeugt ist!
Das geschieht natürlich auch nur, wenn St. Pauli dann halt die Vorgaben, die der Trainer und das Trainerteam macht – heutzutage ist es ja auch ein ganzes Trainerteam, was sich rund um die Mannschaft beschäftigt – auch befolgt. Die sind dann auch dafür verantwortlich, ob es nach oben oder nach unten geht, oder ob es Stillstand gibt.
Ich glaube, dass sie da ein sehr harmonisches Miteinander haben. Die Mannschaft glaubt an das, was der Trainer ihnen vorgibt, und er ist ja auch einer der besten Absolventen seines Lehrgangs gewesen. Er tritt sehr sympathisch auf und er ist da voller Überzeugung. Man kann ja auch mit breiter Brust auftreten. Seine Mannschaft performt gut, und die Mannschaft merkt, dass das, was der Trainer vorgibt, sie zum Erfolg führt.
Insofern passt alles zusammen. Das letzte Spiel, das sie verloren haben, war das 3:4, aus Sicht von St. Pauli, im Volksparkstadion gegen den HSV. In dieser Saison sind sie noch komplett ungeschlagen. Also insofern ist das eine Mannschaft, die mit breiter Brust aufritt, die weiß was sie kann, die ihre Stärken genau ausspielt.
Und wie ich es auch schon für HSV gegen Kiel gesagt habe, diese Mannschaft musst du erst mal knacken. Selbst, wenn man in Führung geht gegen den FC St. Pauli, kann man nie davon ausgehen, dass die dann sagen, okay, Mensch, das Spiel ist heute verloren.
Die sind in der Lage, Rückstände aufzuholen und in einen Sieg umzuwandeln. Also, das muss ich wirklich aktuell sagen, die Mannschaft der Stunde der 2. Liga.
Aus Hamburger Sicht wäre es natürlich schön, wenn beide Mannschaften ihre Spiele gewinnen. Dann guckt man nach unten, dann weiß man zumindest, dass Hannover das eigene Spiel nicht gewonnen hat. Und was dann Fortuna Düsseldorf macht, ja gut, das können die Beiden nicht beeinflussen.
Aber wenn beide ihre Spiele gewinnen, dann können wir hier im Norden ganz glücklich sein und auch nach vorne gucken, dass es eventuell sogar mit einem Doppel-Aufstieg enden könnte.”
Wir dann gemeinsam gefeiert?
Marinus Bester: “Das glaube ich nicht! Ich wüsste jetzt gar nicht mal, wer hat eigentlich das letzte Spiel zu Hause? Ich glaube, der HSV hat das letzte Spiel zu Hause.
Der Verein, wenn sie wirklich beide aufsteigen würden, auf eins und zwei, dann hätte der Verein auf Eins wahrscheinlich erstmal den Vortritt, die Feierlichkeiten aus seiner Sicht zu veranstalten, am letzten Spieltag.”
Heißt die Reeperbahn wird dann erst mal für die HSV-Fans geblockt?
Bester: “Naja, die Reeperbahn ist ja auch geteilt. Es ist jetzt nicht so, dass es nur den FC St. Pauli dort gibt, sondern da ist auch der HSV beheimatet. Ich kann es mir bei den Fangruppen nicht vorstellen, dass man zusammen feiert.
Letztlich würde man wahrscheinlich sagen, trotzdem eine tolle Aktion, wenn beide Mannschaften aufsteigen sollten, denn dann trifft man sich wieder auf Augenhöhe in der 1. Liga wieder. Es elektrisiert natürlich, dass das Spiel HSV – St. Pauli, St. Pauli – HSV, in der gleichen Liga stattfindet.
Für Hamburg sind das zwei Feiertage, auch wenn man das manchmal vielleicht bei der einen oder anderen Fan-Gruppe dann nicht so sehen kann, die es leider dann halt ein bisschen übertreiben mit ihren Abneigungen.
Sportlich gesehen wäre es natürlich eine tolle Sache, wenn dieses Duell im nächsten Jahr, oder in der nächsten Saison, in der 1. Liga stattfinden würde.”
Interview: Carsten Fuß