Medhi Benatia ist gerade auf Wolke sieben. Über den historischen Einzug seiner Heimat Marokko ins WM 2022 Viertelfinale hat sich der ehemalige Innenverteidiger der Bayern unheimlich gefreut.
Im exklusiven Interview mit der Wettbasis spricht der 63-fache marokkanische Nationalspieler, der gerade in Doha als Experte bei BeInSport Frankreich aktiv ist, über das Wintermärchen Marokkos und warum er auch im Viertelfinale gegen Portugal durchaus berechtigte Chancen auf eine erneute Sensation seines Landes sieht.
Medhi Benatia über Marokko: “Viele Weltklasse-Spieler”
Wettbasis: Monsieur Benatia, wie haben Sie die Minuten nach dem Elfmeterschießen gegen Spanien live im Stadion erlebt?
“Das waren einfach sensationelle Minuten, die ich in meinem ganzen Leben nie vergessen werde. Es war pure Freude, die ich mit den Spielern teilen konnte. Ehrlich gesagt konnte ich es im ersten Moment gar nicht glauben, dass wir es geschafft haben.
Man begreift nicht sofort was dieses Weiterkommen für das Nationalteam, aber auch das ganze Land bedeutet. Ich hatte keine Stimme mehr. Diese Minuten des Glückes habe ich auch richtig genossen.”
Wenn man auf die vergangenen Jahre und die Entwicklung der marokkanischen Nationalmannschaft zurückblickt, war dieses Märchen irgendwie zu erwarten?
“Ich hatte bereits vor dem WM-Start angekündigt, dass mit Marokko zu rechnen sein wird bzw., dass die Gruppe mit Kanada, Belgien und Kroatien zwar schwer sein würde aber nicht unmöglich, weil sehr ausgeglichen und homogen.
Mit zwei Siegen und ein Unentschieden haben wir die Erwartungen deutlich übertroffen und wir sind völlig verdient weitergekommen. Auch vor dem Anpfiff gegen Spanien wusste ich tief im Inneren, dass wir gute Karten haben würden.”
Wie erklären Sie diesen Optimismus?
“Schauen Sie sich unseren Kader an: Wir haben auf vielen Positionen Weltklasse-Spieler, die bereits seit einigen Jahren bei europäischen Top-Klubs unter Vertrag stehen, egal ob Torwart Yassine Bounou (genannt Bono) vom FC Sévilla, Achraf Hakimi bei Paris Saint Germain, Noussair Mazraoui bei Bayern München, Nayef Aguerd bei West Ham oder Hakim Ziyech bei Chelsea.
Dort sind sie Stammspieler und sie konnten viel Erfahrung sammeln, sodass unsere jungen Nationalspieler davon profitieren. Nationalcoach Walid Regragui ist es gelungen, einen tollen Mix aus diesen erfahrenen Spielern und jungen Hoffnungsträgern zu basteln. Die Chemie in der Mannschaft passt wunderbar.”
Sie haben insgesamt zwölf Jahre das Nationaltrikot getragen. Wie sehen Sie nun Ihre Nationalmannschaft?
“Ich habe persönlich mit meinem Nationalteam sehr viel erlebt, Siege wie Niederlagen, viele Höhe- aber auch einige Tiefpunkte, egal ob beim Afrika-Cup oder bei Weltmeisterschaften. Nun erlebe ich diesen fantastischen Trainer mit dieser goldenen Generation im Paradies.”
Was zeichnet dieses Team besonders aus?
“Ich würde dabei drei Wörter auswählen: Kompaktheit, eigene Stärke und eine Top-Organisation. Dazu finde ich diese Mannschaft schön mit einem gepflegten Spielstil. Eine Augenweide mit vielen Einzelkönnern.”
Welche Spieler sind Ihnen besonders aufgefallen?
“Sofyan Amrabat. Er hat in Katar gerade bewiesen, dass er nun bereit für den ganz großen Sprung zu einer europäischen Top-Adresse ist. Er ist technisch stark und sehr reif.
Ich könnte ihn mir gut in der Premier League vorstellen. Dazu Kapitän Romain Saiss: Wie er die Mannschaft führt, sein Stellungsspiel und seine Leader-Qualitäten tun der Mannschaft wahnsinnig gut.”
Und nun?
Man erhofft sich selbstverständlich, dass es noch nach diesem Wochenende weitergeht. Zwar haben wir unser Ziel schon längst erreicht und wir haben gegen die Portugiesen nichts zu verlieren, aber wir wollen noch einige Bestmarken schaffen und weiterhin diese schöne Geschichte mit einigen Kapiteln weiter schreiben.”
Glauben Sie wirklich daran, dass Marokko noch einige Sensationen schaffen kann?
“Davon bin ich felsenfest überzeugt. Wenn ich mir nochmal das Spiel gegen Spanien reinziehe, dann sehe ich wahnsinnig viel Leidenschaft und Gier auf dem Platz, die uns sehr weit tragen können.
Ich glaube wirklich, dass wir wir sehr weit kommen können.”
Portugal scheint aber sehr stabil zu sein und schwer zu schlagen.
“Gegen die Schweiz im Achtelfinale haben wir ja gesehen, über welches Potenzial diese Mannschaft verfügt. Die Tatsache, dass wir eine Verlängerung zu bestreiten hatten und dass einige Spieler angeschlagen sind, sprechen eher für die Portugiesen.
Aber wie gesagt: Mit unserer Leidenschaft und unseren treuen Fans, die im Stadion klar in der Mehrheit sein werden und uns pushen werden, ist einiges möglich. Dazu wird der ganze Druck, wie schon gegen Spanien auf Portugal lasten.”
Medhi Benatia Interview: Alexis Menuge