Nicht allen ist der Name eventuell ein Begriff, doch Michael Henke ist einer der bekanntestes Co-Trainer der deutschen Fußball-Geschichte.
Seine Karriere hat ihn auf viele Posten verschlagen, unter anderem als Chefscout zu Aston Villa, Sportdirektor bei Ingolstadt oder Cheftrainer bei Kaiserslautern. Seine größten Erfolge hatte er aber an der Seite von Ottmar Hitzfeld beim BVB und den Bayern.
Ergo ist Michael Henke auch zweifacher Champions-League-Sieger, was ihn zum idealen Gast für die Beidfüßig-Preview zur CL-Saison macht. Er spricht über das Traumlos der Bayern, sowie die Hammerlose für den BVB und Neuling Union Berlin.
Wettbasis: Wenn man Königsklasse sagt, dann denkt man an die Bayern, dann denkt man an Borussia Dortmund, denn die haben die Champions League bereits gewonnen. Einer, der weiß wie es geht, ist heute bei uns zu Gast. Herzlich willkommen, Michel Henke. Dann gehen wir doch gleich rein in die Gruppen und fangen an mit Gruppe A. Da sehen wir gleich den Rekordmeister Bayern München mit Manchester United, Kopenhagen und Galatasaray. Wie ist Ihre Einschätzung dazu, Herr Henke?
Michael Henke: “Für die Bayern sicherlich eine machbare Gruppe. Aber das mit den starken und schwachen Gruppen ist so eine Sache. Man muss einfach alle schlagen, wenn man wirklich nachher den Pott in den Händen haben will.
Ich finde es immer klasse, wenn deutsche Mannschaften gegen englische Mannschaften spielen, und Manchester United ist natürlich eine Mannschaft, wo man gute und schlechte Erinnerungen hat, aber auf jeden Fall sehr, sehr spannend.
Trainer Erik ten Hag als ehemaliger Amateurtrainer von Bayern München ist sicherlich auch ganz spannend, wenn die da aufeinandertreffen. Ansonsten ist das Weiterkommen eigentlich Pflicht für Bayern in der Gruppe.”
Die Eisernen in einer Gruppe mit Neapel, Real Madrid und Braga. Die reisen also dann gleich mal ins Bernabeu und auch ins Diego Maradona bei ihrer ersten Champions League Saison. Gut, dass sie jetzt mit Bonucci einen kompetenten Reiseführer verpflichtet haben. Wie lautet da Ihre Einschätzung Herr Henke?
Henke: “Union ist unglaublich. Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir mit Ingolstadt gegen Union gespielt haben, in der 2. Liga, und jetzt spielen sie in der Champions League.
Was da abläuft, ist wirklich wie ein Märchen. Deshalb traue ich denen sogar zu, dass sie auch eine Überraschung schaffen. Klar, normalerweise haben sie in der Gruppe keine Chance und schlagen sich mit Braga um die Europa League und Madrid und Neapel kämpfen um den ersten und zweiten Platz.
Aber bei Union ist alles möglich. Ich lasse mich überraschen. Ich freue mich riesig, dass es sowas noch gibt im Fußball, und ich glaube da dreht ganz Berlin durch, wenn im Olympiastadion Real Madrid auftaucht. Finde ich einfach geil.
Ich habe ja auch manchmal meine Probleme mit dem Fußball wie er heute abläuft, mit allen negativen Tendenzen, die auch passieren. Und das ist etwas, was dem Fußball unheimlich hilft, egal, ob man Union Fan ist oder nicht.
Ich traue Union da Überraschungen zu, was wahrscheinlich nicht für den ersten oder zweiten Platz reicht. Aber ich sehe sie auf jeden Fall, dass sie sich weiter qualifizieren für die Europa League.”
Was macht Union genau aus? Sagen Sie uns drei Gründe, was die so stark macht.
Henke: “Also auf die Reihenfolge würde ich mich nicht festlegen, aber auf jeden Fall natürlich der Trainer, der eine unglaubliche Ruhe und trotzdem auch Besessenheit und Zielstrebigkeit ausstrahlt.
Wo man den Eindruck hat von außen, ohne dass man das Training sieht, der hat den Laden absolut im Griff. Dann ein Management, was nach außen hin ziemlich schmal wirkt. Dann natürlich Ruhnert, der sensationelle Entscheidung immer wieder trifft, und wahrscheinlich muss man dann die Vereinsführung dazunehmen, die ich im Einzelnen nicht kenne, wo ich mir kein Urteil aus der Entfernung erlaube.
Aber ich glaube, das sind die Dinge, die dann in eine Mannschaft münden, die weiß, was sie tut, die für sich selber keine Grenzen sieht und trotzdem auch Step by Step vorangeht, also sich nicht in irgendwelchen Träumen aufarbeitet.
Sondern wirklich den Erfolg nach und nach langsam aufbauend aneinanderreiht. Und das, glaube ich, macht Union Berlin aus.”
Gruppe F, da ist dann der BVB in einer Gesellschaft, die ihm so gar nicht schmecken kann: Paris St. Germain, Milan und dann noch Newcastle, aufgepimpt mit viel Geld. Herr Henke, sie sind noch bestens vernetzt in Dortmund. Haben die schon das Entsetzen wieder aus den Gesichtern bekommen?
Michael Henke: “Ja gut, das wird die schon beschäftigen. Wenn man jetzt nochmal zurückgeht zu Union, die nehmen alles, die freuen sich über diese Gruppe, weil die sagen, wir haben jetzt da sechs Spiele, und das wird riesig.
Beim BVB, da muss man natürlich ein bisschen ergebnisorientierter denken, und vom BVB wird halt verlangt in der Regel, dass sie die Gruppenphase in der Champions League überstehen, und das wird natürlich in so einer Gruppe wirklich schwierig.
Deshalb glaube ich schon, dass der BVB sich eben nicht freut über so klangvolle Namen wie Milan, Newcastle und Paris. Also ich glaube, die haben da schon ein bisschen dran zu knabbern und überlegen, was müssen wir machen, dass wir uns in der Gruppe qualifizieren, über die Gruppenphase hinaus.”
Jetzt haben sie ja noch einen Lastminute-Transfer getätigt, nämlich Niclas Füllkrug. Wie sehen Sie das?
Henke: “Ja gut, wenn man in der Champions League spielt, braucht man eine gewisse Breite, damit man reagieren kann. Und deshalb finde ich es logisch, dass man so einen Transfer macht, natürlich nicht als Auffüllung, sondern der wird da schon seinen Stellenwert auch bekommen.
Aber man braucht einfach die Qualität in der Breite auch und jetzt haben sie schon in der Offensiven ein paar Möglichkeiten mehr, um zu reagieren. Das Timing ist unheimlich wichtig, die Leistungsdosierung ist unheimlich wichtig.
Man muss einem Spieler, sei es in der Bundesliga oder eben in der Champions League, mal eine Pause gönnen, und dafür brauch man aber dann eben entsprechenden Ersatz.”
Dann kommen wir zum letzten deutschen Vertreter in der Königsklasse, RB Leipzig. Die spielen mal wieder gegen Manchester City, das ist ihnen sowieso schon vertraut. Dazu Roter Stern und Young Boys Bern. Also, die sind jetzt nicht zur Elite des europäischen Fußballs zu zählen. Was sagen Sie, Herr Henke?
Henke: “Immer gefährlich, wenn solche vermeintlichen Außenseiter dabei sind, wie Young Boys und Roter Stern in dem Fall. Leipzig ist jetzt keine Mannschaft, die schon riesen Europapokal-Erfahrung hat.
In der jüngeren Zeit haben die jetzt natürlich einiges gesammelt. Auf den ersten Blick sage ich Leipzig und Man City gehen da durch. Aber da ist schon Vorsicht geboten.
Der Schweizer Fußball ist auch nicht zu unterschätzen. Young Boys ist Meister geworden in der letzten Saison. Gut, Roter Stern ist ein bisschen ein unbeschriebenes Blatt. Früher war es sehr unangenehm, dort zu spielen.
Aber Leipzig hat für mich nach wie vor eine überragende Qualität. Deshalb gehe ich davon aus, dass sie sich auch qualifizieren, über die Gruppenphase hinaus.”
Wer von den deutschen Teams kommt ins Achtelfinale?
Henke: “Bis auf Union kommen alle weiter.”
Wer wird Torschützenkönig?
Henke: “Ja gut, das hängt natürlich am Ende davon ab, wie weit die einzelnen Mannschaften kommen.
Wenn Paris weit kommt, wird Mbappe dabei sein bei den besten Torschützen und ich sehe auch Kane mit vorne dabei, vorausgesetzt, die Bayern kommen auch wirklich weit.
Das wären für mich jetzt so spontan Mbappe, Haaland, Kane, die ich ganz weit vorne sehe.”
Dann fehlt natürlich noch der Gesamtsieger.
Michael Henke: “Schwierig zu sagen, wer oben mit dabei ist. Das sind die üblichen Verdächtigen, Real Madrid, Bayern München, traue ich schon zu, bis zum Ende dabei zu sein.
Ich glaube schon, dass da jetzt im Moment so ein bisschen der Knoten gelöst wird nach dem ganzen Trubel in der letzten Saison. Aber wie gesagt, das ist wirklich schwierig zu sagen, da gibt es mehrere. Paris ist dabei, und dann wird es wieder irgendeine Überraschung geben, Neapel schätzt sich eigentlich auch stark ein, wenn sie die Form der letzten Saison rüber retten können.
Schwierig zu sagen, also aus deutsche Sicht würde ich sagen, warum soll nicht Bayern München, mal wieder die Champions League gewinnen?”