Wie oft haben wir den HSV in den vergangenen Jahren, Monaten, Wochen und Tagen in die zweite Liga gedacht, gewünscht, verbannt, verflucht oder auch einfach nur geschickt? Wenn ich an mich selber denke, muss ich antworten, dass mir das unfassbar oft passiert ist. Zu sehr hat mich dieser große Verein mit seinen Handlungen im Hintergrund und seine Mannschaft mit ihren Leistungen auf dem Platz enttäuscht. Ich gehöre einer Generation an, als der HSV im alten Volksparkstadion noch Meister wurde, als Spieler wie Manni Kaltz und Horst Hrubesch, Rudi Kargus und Felix Magath, Caspar Memering oder auch Kevin Keegan die Liga aufmischten und international auch einfach mal UEFA-Cup und Europapokal der Landesmeister holten. Doch das ist lange her. Der Klub wankte sich bekanntlich zuletzt von Bundesliga-Saison zu Bundesliga-Saison und viele objektive Fans fragen sich doch seit Jahren, warum man mit derart häufigen Trümmerleistungen eigentlich noch die Berechtigung hat, in der Bundesliga spielen zu dürfen.
Man hat. Und offenbar nimmt sich der HSV diese Berechtigung noch für mindestens einen weiteren Spieltag, denn mit dem 1:0-Sieg gegen den SC Freiburg erkämpfte sich die Mannschaft von Trainer Christian Titz schlicht und einfach einen weiteren “Aufschub”.
“Beide Mannschaften haben sich in der ersten Halbzeit schwergetan, weil man einfach gemerkt hat, wie viel auf dem Spiel steht. Wenn Freiburg gewinnt, sind wir weg. Wenn wir gewinnen, sind wir dran. Und da entscheiden dann oftmals kleine Aktionen im Spiel, dass Du dann die Mannschaft bist, die besser reinkommt.”
Ja, das ist alles noch pure Theorie. Aber vor ein paar Tagen war ja selbst der Gedanke an diese theoretische Chance auf einen HSV-Klassenerhalt derart abwegig, dass der Fall des schiefen Turms von Pisa wahrscheinlicher gewesen wäre. Das Spiel gegen Freiburg war ganz sicher keine Ruhmestat. Es war kein guter Kick, denn dafür stand spürbar einfach zu viel auf dem Spiel. Hamburg kam etwas besser in die Partie, ohne allerdings richtig gefährlich werden zu können. Nach rund 20 Minuten merkten die Freiburger, dass man mit einem intensiveren Pressing dem Hamburger Aufbauspiel mit den vielen Rückpässen auf “Libero”-Torwart Pollersbeck eine gewisse Unsicherheit einhauchen könnte. Und siehe da, der HSV verlor den Faden und Freiburg eroberte Bälle in der Hamburger Hälfte. So entstand die erste von zwei Freiburger Großchancen bis zur Pause, die Pollersbeck mit Glück, Können und Geschick vereitelte. Wenn Freiburg da in Führung gegangen wäre, hättest Du die Hamburger Hoffnungskerzen schon mal direkt auspusten können.
Die Halbzeitpause war für den HSV Segen – vielleicht sogar spielentscheidend. Christian Titz muss da zwei Dinge geschafft haben: Zum einen hat er sein Team beruhigt und außerdem hat er ihnen offensichtlich eingeimpft, dem frühen Freiburger Anlaufen durch ruhiges und sauberes Passen zu begegnen. Zu Beginn der zweiten Halbzeit hatten zwar die Freiburger noch eine weitere gute Möglichkeit, aber danach war im Offensivspiel der Freiburger nur noch tote Hose. Der HSV übernahm die Regie, spielte sauberer, schneller und hatte dann auch das Glück, dass Lewis Holtby seine feine Einzelaktion mit dem Tor des Tages krönte.
“Ungeachtet dessen, dass ich ihn jetzt aufgestellt habe, hat er in der Vergangenheit gezeigt, dass er ein Spieler mit hoher Qualität ist. Nicht nur er, ich finde, auch andere Spieler, die bei uns ja auch momentan ihre Qualität mehr zum Tragen bringen, willst Du als Trainer einsetzen.”
Ja, ich kann Christian Streich verstehen, dass er im Moment ein wenig Frust mit den Schiris hat. Die Halbzeitpausen-Nummer von Mainz und nun die Ampelkarte gegen Söyüncü nach dessen taktischem Foulspiel – wobei kurz vorher auch Hamburgs Steinmann nach robustem Einsteigen hätte fliegen können. Derzeit haben die Freiburger kein rechtes Schiedsrichter-Glück, aber wir wissen alle, dass sich das auf die Saison verteilt eh irgendwie wieder ausgleicht. Mit Benjamin Cortus zum Beispiel hatten die Freiburger früh in der Saison gegen Borussia Dortmund Glück, dass es aufgrund einer Fehlentscheidung beim torlosen Remis geblieben war. Ich mache mir trotzdem um die Freiburger keine Sorgen. Wichtig ist, dass mit Mike Frantz nach langer Verletzung ein ganz wichtiger Spieler wieder auf den Platz zurückkommt. Das Restprogramm ist zudem durchaus machbar, so dass die Freiburger ihren Negativlauf von nun 8 sieglosen Spielen vielleicht schon am Wochenende zu Hause gegen Köln beenden könnten – und sollten. Danach müssen sie nach Gladbach, um dann am letzten Spieltag gegen die geretteten Augsburger anzutreten. Da sollte der Klassenerhalt für die Freiburger eigentlich zu schaffen sein.
Das ist für den HSV noch ein langer Weg. Aber mit Christian Titz scheint dem Club endlich mal wieder ein guter Griff gelungen zu sein. Mir gefällt seine Art, seine Idee mit der Spieleröffnung durch den Torwart ist in dieser extremen Form auch durchaus nicht uninteressant, aber sie birgt eben auch gewisse Risiken, wenn Du nicht sauber hinten raus passt und in der eigenen Hälfte Ballverluste kassierst. Gegen Freiburg ist es jedenfalls am Ende gut ausgegangen für die Hamburger, die nun also auf ihr nächstes Endspiel warten.
“Wir haben sehr einfache Tore kassiert, Gladbach immer wieder durch einfache Ballverluste aufgebaut. In der zweiten Halbzeit haben wir das gemacht, was wir schon in der ersten machen wollten. Wir haben als Mannschaft nicht funktioniert, wir müssen die Dinge jetzt klar ansprechen.”
Und sonst? Leipzig kassiert Tore ohne Ende und eine 2:5-Packung gegen Nagelsmanns Hoffenheimer. RB muss nun aufpassen, dass ihnen nicht doch die Luft ausgeht zum Ende der ersten internationalen Saison. Die Champions League-Teilnahme in der kommenden Saison wackelt jedenfalls gewaltig zur Zeit, aber es sind ja noch 9 Punkte zu vergeben. Wobei RB zunächst mit dem Spiel in Mainz und dann zu Hause gegen Wolfsburg auf zwei Abstiegskandidaten treffen wird. Dass Bayern weiter gewinnt, muss ich eigentlich nicht mehr erwähnen. Das 3:0 in Hannover war beste Vorbereitung auf den von uns Fans so ersehnten Knaller gegen Real am Mittwoch. Ich schrieb hier ja schon im November, dass ich Bayern unter Jupp Heynckes in diesem Jahr den ganz großen Wurf wieder zutraue. Und ich glaube auch, dass die Mannschaft in der derzeitigen Verfassung selbst vor Real keine Angst haben muss und klar gewinnen kann.