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Uli Borowka im Interview: “Kommst du über die Mittellinie, breche ich dir beide Beine!”

Karl-Heinz Fischer  18. Februar 2023
Uli Borowka Interview
Uli Borowka hat seine Alkohol-Sucht überwunden und hilft anderen, seinem Beispiel zu folgen. (© IMAGO / Sämmer)

Der gelernte Maschinenschlosser Ulrich “Uli” Borowka galt in seiner Zeit als Aktiver stets als “Eisenfuß” und war bekannt und gefürchtet als “die Axt”. Seine vom Zweikampf geprägte Spielweise machte ihn sogar mehrmals zum “unbeliebtesten Spieler” bei der jährlichen “kicker”-Wahl.

Trotz vieler Erfolge und Titel, darunter Deutscher Meister, DFB-Pokalsieger und Europapokal der Pokalsieger, lief es abseits des Platzes immer mehr aus dem Ruder und der Familienvater stellte sich im Jahr 2000 erfolgreich seiner Alkoholsucht. Mittlerweile hält er Vorträge und ist präventiv unterwegs.

Mit Uli Borowka haben wir im “Beidfüßig Star Talk” über diesen Schritt, aber auch über seine schönsten Momente als Fußballer gesprochen. Darüber hinaus wollten wir wissen, wie er seine beiden Ex-Vereine, Gladbach und Bremen, aktuell einschätzt und was in dieser Saison für beide noch möglich ist.

Uli Borowka über Werder Bremen: “Ich bin mehr als zufrieden”

Guten Tag Herr Borowka. Sie haben lange in Bremen gespielt, sind mit dem Team Meister geworden, Pokalsieger, auch Europapokalsieger. Sagen Sie uns doch mal Ihre Meinung zur aktuellen Situation beim SV Werder.

“Da gibt es eigentlich nur Positives, in diesem Sinne. Sie sind zum Glück aus der 2. Liga raus. Werder Bremen braucht keine 2. Liga, da gehören sie nicht hin. Das ist äußerst unglücklich gelaufen, war aber abzusehen, dass es irgendwann mal in die Richtung geht.

Jetzt haben sie es aber zum Glück geschafft und ich bin mehr als zufrieden mit der Ausbeute und damit, wie sich die Mannschaft zum großen Teil präsentiert. Das ist absolut super.

Mit dem Abstieg werden sie nichts mehr zu tun haben und jetzt können Sie vielleicht schon mal mit einem Auge schauen, dass sie vielleicht im nächsten Jahr noch ein bisschen weiter oben sind, im oberen Drittel. Da gehört Werder Bremen hin. Ja, es gefällt mir rundum und ich bin zufrieden.”

Jetzt spielen Sie ja am Samstag in Frankfurt. Wie sehen Sie diese Partie? Was ist da der Schlüssel zum Erfolg für Werder Bremen?

“Ich denke, dass sie wieder eine ganz konzentrierte Leistung, wie sie sie in vielen Spielen in dieser Saison gezeigt haben, auch in Frankfurt bringen müssen. Frankfurt hat sich wunderbar entwickelt.

In den letzten Jahren ist das eine Topmannschaft geworden, aber Werder hat auch gezeigt, dass sie jederzeit in der Lage sind, auswärts zu punkten und auswärts zu gewinnen. Sie spielen aus meiner Sicht auswärts sogar noch ein bisschen besser als zu Hause, holen regelmäßig Punkte.

Natürlich haben sie nicht diese Stabilität über eine ganze Saison, aber das ist normal. Durchaus kann ich mir vorstellen, dass sie die Frankfurter vor eine schwere Aufgabe stellen. Sie haben sehr, sehr gute Spieler und sind gefährlich bei Standardsituationen. Also ich rechne mindestens mit einem Punkt.”

Der SV Werder stellt momentan mit Füllkrug den Torschützenkönig in der Bundesliga. Was macht ihn aus?

“Das Geheimnis ist erst mal, dass er nicht verletzt ist. Jahrelang hat er Probleme gehabt. Er war immer verletzt, konnte nie durchtrainieren, war nie fit. Das hat er jetzt geschafft, zum Anfang der Saison und das beweist er auch. Wenn er gefüttert wird, wenn er die Flanken bekommt, dann ist er brandgefährlich im Sechzehner.

Der hat im Moment ein Selbstvertrauen, der strotzt einfach. Er weiß, er ist topfit, es sind keine Verletzungen da. Und natürlich, die Tore, die er macht, sind außergewöhnlich. Das macht es natürlich aus. Er ist im Moment die Versicherung für Werder Bremen.

Es sind verdammt viele Punkte über ihn eingefahren worden und ich hoffe, dass er das bis zum Ende der Saison so durchzieht. Vielleicht ist es möglich, dass Werder mit ihm jetzt kurzfristig verlängert, das wäre eine schöne Sache.”

Sie sind ja gelernter Abwehrspieler. Dann müssen Sie uns auch sagen, wie Sie Niklas Füllkrug stoppen, wenn sie gegen ihn spielen würden.

“Ich habe auch einige gehabt, die waren einen Tick größer. Da sind schon Stürmer dabei gewesen. Dieter Hoeneß habe ich gespielt, Horst Hrubesch, George Weah. Also da muss man schon einen guten Tag erwischen.

Man muss ihn immer, jede Sekunde, bedrängen. Man muss immer dranbleiben und man muss ihn natürlich aus dem Rhythmus bringen. Das heißt, wenn er hoch will, zum Kopfball, muss man ihn vorher schon mal ein ganz klein wenig bedrängen, damit er nicht den richtigen Absprung hat.

Man muss ihn auch bei der Ballannahme früh stören. Das wäre jetzt das, wie ich versuchen würde, Füllkrug ein bisschen aus dem Spiel zu nehmen. Ich glaube, über die ganze Zeit schafft man es nicht, denn er ist auch so clever geworden, sich mal hinten an den zweiten Pfosten zu schleichen. Das macht er sehr gut, aber das wäre so mein Ansatz, wie man ihn vielleicht ein klein wenig einengen könnte.”

Borowka über Gladbach: “Das Schlimmste war das Schönreden danach”

Wir wollen natürlich aber auch noch mit Ihnen über einen Knaller sprechen, nämlich Borussia Mönchengladbach gegen Bayern München. In den Siebziger Jahren ja schon immer ein Duell um die Deutsche Meisterschaft. Jetzt, in den letzten Begegnungen, war es bei Gladbach immer so: Entweder haben sie die Bayern geschlagen oder sie bekamen ordentlich auf die Mütze. Wie geht es diesmal aus?

“Aufgrund der letzten Partie würde ich sagen, geht es schlecht für die Borussia aus. Denn ich habe nicht mehr damit gerechnet, dass Hertha noch viele Spiele gewinnt. Dann kommt Gladbach, fährt dahin und liefert etwas ab, wo mir wirklich nichts mehr einfällt. Das hat nicht viel mit Leistungsgedanken zu tun. Das hat nicht viel mit Einsatz, mit dem Willen ein Spiel zu gewinnen, zu tun. Also das war schon abenteuerlich.

Aber die Leistung war noch nicht einmal das Schlimmste, sondern das Schönreden danach. Da muss ich ganz ehrlich sagen, da habe ich überhaupt kein Verständnis, dass man so ein Spiel von Trainerseite noch schönredet. Jeder hat gesehen, dass da nichts war, dass da nichts auf dem Platz war, dass man hergespielt wurde, von einer Mannschaft, die um den Abstieg spielt. So kann man nicht auftreten. Das ist nicht Borussia Mönchengladbach-like.

Borussia Mönchengladbach hat einen Anspruch. Gladbach muss oben unter den ersten sechs Mannschaften spielen, alleine schon aufgrund dieser Mannschaft, von der Besetzung her. Die haben letztes Jahr mit den beinahe gleichen Spielern eine grandiose Saison hingelegt und super gespielt. Aber das jetzt, das ist für mich zum Teil unerklärlich. Wenn sie nur im Ansatz so auftreten, werden sie zu Hause gegen Bayern untergehen.”

Sie haben die Mannschaft angesprochen, praktisch unverändert, vielleicht sogar noch ein bisschen stärker. Liegt es dann am Trainer?

“Ach, ich denke, man muss das Ganze sehen. Da stimmt irgendwas nicht. Die Charaktere vielleicht, vielleicht musste der eine oder andere da bleiben, obwohl er wechseln wollte. Da bin ich nicht ganz so nah dran. Aber irgendwas stimmt da auf jeden Fall nicht in der Chemie, innerhalb der Mannschaft, zwischen Mannschaft und Trainer. Denn so kann man nicht auftreten.

Man kann nicht grandiose Spiele liefern, zu denen sie ja in der Lage sind, aber dann wieder dermaßen schlechte Leistungen zeigen, ohne Sinn und Verstand. Eins muss man immer: Neunzig Minuten rennen, kämpfen und einen Willen mitbringen. Aber das sehe ich nicht bei dieser Mannschaft und das tut mir schon ein bisschen weh, wenn ich so Spiele sehe. Also ich glaube, da ist einiges im Argen, weil sonst kann man so nicht auftreten.”

Wo würden Sie ansetzen?

“Also ich sag’ mal ganz ehrlich, ich bin noch von der alten Schule. Wenn mir eine Mannschaft so eine Leistung anbieten würde, könnte ich mich nicht hinsetzen und sagen: ‘Meine Güte, ich habe gute Ansätze gesehen.’ Oder die Spieler sagen: ‘Na ja, wir haben aber doch irgendwie aus den letzten Spielen noch vier Punkte geholt.’

Also die würden eine Woche vor sich haben, die würden dreimal am Tag trainieren. Dann müssen sie eben laufen, dann müssen sie eben rennen, bis sie merken, dass Fußball ein Sport ist, wo man auch rennen muss. Ich habe irgendwo gelesen, die sind acht Kilometer weniger gelaufen in dem Spiel gegen die Hertha und sie sind die lauffaulste Mannschaft in der Bundesliga.

Also diese Qualität haben sie nicht, dass sie beim Stehfußball die anderen Mannschaften auseinanderspielen. Also muss ich erst mal rennen und kämpfen. Aber wenn ich die Grundtugenden nicht habe, dann quäle ich mich über eine ganze Saison.

Also da stimmt auch irgendwas nicht. Vielleicht sind sie nicht fit, aber da kann man natürlich in viele Richtungen spekulieren. Aber einiges ist ganz offensichtlich.”

Dann sagen Sie uns noch schnell Ihre Bilanz mit Gladbach gegen Bayern.

“Meine Bilanz mit Gladbach gegen Bayern? Ich glaube, wir haben in diesen sieben Jahren kaum ein Spiel gewonnen. Wir haben sogar das Pokalendspiel in Frankfurt gegen die Bayern verloren, im Elfmeterschießen, wo Lothar Matthäus noch den Elfmeter verschießt.

Bei meiner Bilanz aber mit Werder Bremen gegen Bayern, in den neuen Jahren, kann ich mich an keine Niederlage erinnern, zumindest wenn ich gespielt habe und nicht gesperrt war. Also eine durchwachsene Bilanz, aber immer einen Heidenspaß gehabt, gegen diese Bayern zu spielen, über all die Jahre.”

Aber wieso sollte ein Uli Borowka denn gesperrt worden sein?

“Ja, es waren so unglückliche Situationen. Ich verstehe das auch nicht. Der eine oder andere sagte schon mal zu mir: ‘Mensch, der Borowka war ein Treter.’ Ich habe dann mal nachgeguckt, ich habe eine einzige rote Karte in 16 Jahren Bundesliga bekommen und die war noch unkorrekt.

Also da stimmt irgendwas nicht an dieser ganzen Sache. Also ich war nicht so ein schlimmer Typ, wie sie alle meinen. Ich sehe mich etwa im Mittelfeld und die eine oder andere gelbe Karte war mit Sicherheit unberechtigt.”

Spieler-Stationen von Uli Borowka:

Verein Spiele Tore/Vorlagen Gelbe/Rote
SV Werder Bremen 328 9/12 55/-
Borussia Mönchengladbach 194 13/1 27/1
Widzew Lodz 8 -/- -/-
Deutschland 6 -/- -/-

Wir haben aber auch wieder eine Ausgabe des Starttalk und das mit einem echten Charakterkopf der Bundesliga. Das kann man ohne Zweifel so sagen. Zweimal deutscher Meister, zweimal Pokalsieger, Europapokal der Pokalsieger 1992. Aber zunächst einmal, wie geht es Ihnen aktuell?

“Mir geht es gut. Wir sind in Vorbereitung und auch schon zugange mit Präventionsmaßnahmen. Ich gehe in Schulen, halte Vorträge, bin in Firmen, bin in Gefängnissen und in Vereinen unterwegs.

Also das ist das, was ich seit über zehn Jahren mache. Und da fühle ich mich wahnsinnig wohl. Und ich denke, da können wir noch einiges bewegen, denn da läuft vieles falsch.”

Zur Erklärung: Sie waren alkoholabhängig, haben dann die Sache aber in den Griff bekommen und engagieren sich seitdem für diese Initiativen gegen Alkoholabhängigkeit. Erklären Sie uns mal genau, was Sie da machen.

“Ja, ich bin 2000 in die Klinik gekommen und seitdem trocken. Seit über 22 Jahren bin ich trocken. Ich war 16 Jahre Profi, parallel 16 Jahre Alkoholiker, davon noch 14 Jahre medikamentenabhängig, nach einer Suchtverlagerung. Aus dem Ganzen bin ich raus.

Seit über zehn Jahren sind wir jetzt in Deutschland unterwegs und versuchen in Schulen mit den Jugendlichen zu diskutieren, nicht zu verbieten, sondern mit denen zu diskutieren. Auch den Erwachsenen zu erklären, dass man verantwortungsvoll mit dem Alkohol umgehen kann.

Es hat sich aber leider nicht gezeigt, dass es besser geworden ist. Das ist in den letzten Jahren viel schlimmer geworden, aufgrund der Corona-Krise. Durch die psychischen Belastungen haben wir mehr suchtkranke Menschen. Die Kinder sind noch mehr belastet. Wir hatten vorher schon eine schwere Zeit, aber die Zeit jetzt wird noch schlimmer und noch schwerer.

Da bin ich auch ein bisschen traurig, dass es wenig Unterstützung in die Richtung gibt. Aber ich kenne das ja und wir haben uns da aufgestellt. Wir haben jetzt ab Januar mit Hochstätter Marketing eine Kooperation, weil wir wissen, dass viel auf uns zukommt und wir stellen uns breiter auf. Das ist das, was ich mache seit vielen Jahren und ich fühle mich da sehr wohl.

Aber ich muss natürlich auch immer darauf achten, dass es mir gut geht, weil ich bin ja auch noch gefährdet bis ans Lebensende. Es ist nicht einfach so vorbei mit der Sucht. Aber so setze ich mich in Deutschland für suchtkranke Menschen ein.”

Das ist ja nur lobenswert. Wenn wir jetzt über Ihre Fußballkarriere reden, was war Ihr schönster Moment?

“Da waren einige Sachen. Ich durfte dreimal gegen den kleinen Dicken spielen, Diego Maradona. Mein erstes Länderspiel in Berlin, dann zweimal mit Bremen gegen SSC Neapel.

Das war schon außergewöhnlich. Er ist ja leider auch jetzt schon seit fast zwei Jahren tot.”

Was war das Außergewöhnliche daran, gegen Maradona zu spielen?

“Er war einfach der absolute Übermensch auf dem Platz, auf diesem Planeten. Was Diego gemacht hat, das war atemberaubend. Ich weiß noch, dass ich bei meinem ersten Länderspiel in Berlin gegen Argentinien, beim Vier-Länder-Turnier, spielen durfte.

Fast hätte ich Beifall geklatscht beim Warmmachen, weil ich nur Diego zugeguckt habe, aber das hätte blöd ausgesehen, wenn ich da im Nationalmannschafts-Trikot Beifall geklatscht hätte.

Es war atemberaubend. Er war ein absoluter Wahnsinnsfußballer, eine absolute Legende. Wirklich in dieser Sphäre mit Pele, Franz Beckenbauer und ich durfte gegen ihn spielen.

Ich hatte auch andere, mit AC Mailand, Gullit, Rijkaard, van Basten. Barcelona, mit Stoichkov und Laudrup. Also ich glaube, ich habe einige gute Zeiten erlebt, die Titel gewonnen und das war rundum eine richtig geile Zeit.”

Die geile Zeit hat ja auch viel mit Otto Rehhagel zutun, denn der war ja Ihr Trainer beim SV Werder. Was macht ihn denn eigentlich so besonders?

“Man muss sich immer überlegen, ich habe 16 Jahre Bundesliga gespielt und dabei zwei Trainer gehabt. In der einen Saison hatte der HSV, glaube ich, vier oder fünf. Ich hatte Jupp Heynckes sieben Jahre in Gladbach.

Wenn ich Jupp Heynckes nicht gehabt hätte, wie alle anderen auch, wie Matthäus, Hochstätter und Criens, der auch leider tot ist, Uwe Rahn und so weiter, dann wären wir alle keine Bundesligaspieler geworden.

Das haben wir in Gladbach alles gelernt. Und in Bremen habe ich dann das unter Otto Rehagel, sagen wir mal, abgeschöpft. Beides waren grandiose Menschen, grandiose Trainer. Ich kann nur sagen, ich war stolz, dass ich das unter diesen Trainern durchziehen konnte. Sie sind einfach genial, haben immer einen siebten Sinn, immer ein Faible gehabt für die Spieler.

Sie wussten es immer genau, sie brauchten dich nur anschauen und haben gesehen, ob du ein Problem hast und haben dann immer die richtigen Worte gefunden. Es hat einfach Spaß gemacht, unter diesen Trainern Leistung zu bringen.

Wir waren sowohl in Gladbach, als auch in Bremen ein absolut verschworener Haufen. Nur so kann man Erfolg haben, anders geht es nicht. Soviel kann ich nur dazu sagen und es war eine wahnsinnig schöne Zeit. Es waren tolle 16 Jahre.”

Wenn Sie so sprechen, über die beiden Trainer, also über Jupp Heynckes und Otto Rehhagel, dann höre ich raus, dass es das psychologische Feingefühl war, also der persönliche Kontakt, der Ihnen so imponiert hat und der Ihnen weitergeholfen hat.

“Absolut. In erster Linie erst mal in Gladbach. Es war natürlich eine harte Zeit, sich als junger Kerl nach oben zu arbeiten. Aber das ist ja nun mal so im Leben. Man muss natürlich arbeiten, arbeiten, arbeiten, um irgendwo eine Chance zu haben. Es war eine Mannschaft mit Nationalspielern gespickt, mit Hannes, mit Nielsen und Matthäus und so weiter.

Mich da rein zu spielen, das hat schon ein bisschen gedauert. Viel Schweiß, viel Arbeit. Dadurch bin ich natürlich über die Jahre immer besser geworden. Dieser Kontakt zu den Trainern, der war außergewöhnlich, weil sie menschlich einfach ganz weit oben sind, wie sie mit dir umgehen.

Otto Rehhagel und Jupp Heynckes, die dir die richtigen Tipps geben, dich mal in den Arsch treten, aber dich auch mal in den Arm nehmen. Aber sie haben mich öfter in den Arsch getreten, als in den Arm genommen, denn ich war ja kein Kind von Traurigkeit und sie haben gemerkt, ich brauche das und es hat gepasst.

Als dritten Trainer hatte ich noch Franz Beckenbauer 1988 bei der EM. Also ich glaube, diese Auswahl ist außergewöhnlich. Franz ist auch in dieser Größenordnung der Trainer, da oben kann man ihn nur hinzufügen.”

“Später eingelaufen, um mich extra auspfeifen zu lassen”

Sie hatten einen Kampfnamen: “Die Axt”. Können Sie sich das erklären?

“Ja, es war damals so, wir hatten immer einen Anzug an, mit Hemden und Krawatte, wenn wir zu Auswärtsspielen sind. Und dann irgendwann hat mir mal jemand, oder ich habe mir selbst, ich weiß es nicht mehr, eine Krawattennadel gekauft, das war eine Axt. Dadurch bekam ich natürlich dann irgendwann mal den Namen ‘Die Axt’.

Ich war ja kein Kind von Traurigkeit, wie auch Horst-Dieter Höttges, ‘Der Eisenfuß’. Und ich war dann die Axt und ich konnte damit gut leben in den ganzen Jahren.

Ich habe das auch genossen und bin auch extra 30 Sekunden später in Dortmund eingelaufen, als meine Kollegen, um mich noch mal extra auspfeifen zu lassen. Dann ist der Motor angesprungen und dann habe ich Gas gegeben. Das habe ich genossen und damit auch gespielt, ja.”

Jetzt gibt es ja auch viele Erzählungen über “Trash Talk” auf dem Platz. Haben Sie da irgendetwas Besonderes in dem Zusammenhang noch in Erinnerung? Etwas besonders Lustiges?

“Ja, ich habe ja auch Gegenspieler in der Bundesliga gehabt wie Jürgen Klinsmann und Andy Möller und natürlich Olaf Thon, dem ich bei seinem ersten Spiel mal gesagt habe: ‘Kommst Du über die Mittellinie, breche ich Dir beide Beine.’ Da lachen wir heute noch, wenn wir zusammen eine Runde Golf spielen.

Klinsmann und Möller habe ich das auch angedroht. Nur das Schöne an der Geschichte war, Klinsmann hat dann Rechtsaußen gespielt und Andy Möller Doppel-Libero. Ich stand dann da, ohne Gegenspieler.

Dann habe ich nach draußen gerufen zu Trainer Otto Rehagel. Ich sage: ‘Trainer, was soll ich machen?’ Er sagt: ‘Uli. Bleiben Sie da stehen, da kommt schon irgendwann einer.’ Ja, das ist natürlich so eine Sache, die ist schön gewesen.

Bei George Weah im Europapokal der Pokalsieger-Endspiel hat das alles nichts genutzt. Der hat mich nur angeguckt. Dem konnte ich erzählen, was ich wollte. Der hat einen Körper gehabt aus Stahl. Also da bin ich froh, dass wir das Spiel gewonnen haben. Das war eine ganz andere Art, Fußball zu spielen. So sind einige Gegenspieler da namentlich zusammengekommen.”

Wie haben Sie denn mit George Weah gesprochen? Dann vermutlich Englisch.

“Ja, ich hab’s versucht. Aber ein George Weah, der hat nicht einmal ein Auge verdreht.”

Was haben Sie ihm gesagt, konkret?

“Ich habe ihm gesagt: ‘Gleich tut es weh.’ Das habe ich schon hinbekommen auf Englisch, aber das hat ihn nicht interessiert. Selbst als ich ihn mal hart getroffen habe an der Wade, das hat den nicht interessiert. Der ist aufgestanden und weiter.

Also ich war da schon ein klein wenig frustriert, denn man erwartet ja eine Reaktion, wie bei allen oder bei vielen anderen meiner Gegenspieler. So bringe ich die ja dann auch ein bisschen aus der Fassung und die Konzentration ist weg. Aber bei George Weah, nichts. Da kam nichts rüber.”

Wenn Sie jetzt heute die Bundesliga sehen und einen Vergleich ziehen zu ihrer Zeit früher, was fällt Ihnen da am meisten auf?

“Also ich will jetzt gar nicht sagen, was damals war und was wir so gemacht haben. Aber was mir ein bisschen zu schaffen macht ist, deswegen bin ich auch ein bisschen weiter weg, dass nach grottenschlechten Spielen nicht mal Tacheles geredet wird. Es wird immer gesagt, man redet intern, aber ich weiß, dass intern auch gar nicht gesprochen wird.

Wenn wir jetzt auf Gladbach nochmal zurückkommen, eine katastrophale Leistung, dann stellt sich ein Trainer hin und sagt, er habe gute Ansätze gesehen, also so schlimm war das nicht. ‘Die sollen erst mal zwei Tage freimachen, sollen den Kopf erst mal durchpusten.’ Das ist für mich etwas, was ich gar nicht mehr nachvollziehen kann.

Dass sich der Sport weiterentwickelt, dass sich der Fußball weiterentwickelt, das wissen wir alle. Das ist relativ normal über die ganzen Jahre. Aber für mich ist auch das ein bisschen zu viel. Die Werte, die da rauskommen, die kinetischen Räume, die Laktatwerte. Wissen Sie, wenn einer die besten Laktatwerte hat und mit links nicht flanken kann, dann ist das eben Mist. Dann bringt er mich nicht weiter.

Das sind Sachen, weshalb es vielleicht ein bisschen zu viel geworden ist. Ich denke, wenn man immer die Mittelschiene nimmt, dann passt das immer ganz gut. So habe ich das gelernt im Leben, nicht so weit unten, nicht so weit oben, sondern in der Mittelschiene. Dann passt das.

Das hat sich ein bisschen zu sehr in die falsche Richtung entwickelt, für mich. Was mich auch sehr stört, sind diese katastrophalen Fehler beim VAR. Obwohl man heute 20 Kameraeinstellungen hat, macht man immer noch desaströse, schlimme Fehlentscheidungen. Also, das hat dem Fußball nicht gutgetan.”

Für jemanden, der nicht aus Bremen kommt und nichts mit dem SV Werder zu tun hat, können Sie uns das mal erklären, was diesen Verein und die Faszination ausmacht?

“Es sind ja wie gesagt zwei riesige Vereine gewesen. Erst mal Gladbach, sieben Jahre. Wenn man da diese ganze Tradition sieht, was alles war, mit den Spielern wie Jupp Heynckes, dem es wieder besser geht zum Glück, Netzer, Vogts, Bonhoff und auch in Bremen diese ganzen Jahre. Das sind Traditionsvereine und das hat uns immer ausgemacht, dass wir gewisse Werte haben.

Wir Spieler stehen auch für gewisse Werte des Vereins. Das wird in dem Verein vorgelebt, schon von den Trainern, von den Angestellten, vom Manager. So kenne ich das, so habe ich das über die Jahre hinweg gelernt und geliebt. Und auch so habe ich gespielt. Ich war ein Teamplayer, ich war kein Eigenbrötler, ich war ein Teamplayer. Mir hat es Spaß gemacht, mich für das Team einzusetzen, Zweikämpfe zu gewinnen.

Das hat das ausgemacht. Und das macht auch solche Vereine aus, die außergewöhnlich sind. Diese Community, dass die ganze Stadt dahintersteht in Gladbach. Dann auch in Bremen, diese Riesencommunity, alle stehen hinter dem SV Werder, jeder gibt sein letztes Hemd für den SV Werder, jeder versucht mitzufahren, die Mannschaft zu unterstützen.

Das hast du auch diesen Menschen, diesen Fans zurückgegeben und das macht diese Mannschaften aus. Und das hat natürlich auch, sagen wir mal in den letzten Jahren, bei ganz, ganz vielen Mannschaften nachgelassen.

Das finde ich persönlich sehr traurig, dass auch ein Stück weit die Tradition bei vielen Vereinen nachgelassen hat, dass auch die Wertschätzung nicht mehr da ist für viele Alte. Aber das, was ich gerade gesagt habe, sind die Werte, für die diese Vereine stehen, und die wurden von A bis Z durchlebt.

So ein Verein wie Union Berlin, wo ich beim Spiel in Leipzig vorm Fernseher gesessen bin und habe Beifall geklatscht. Das ist ein Verein, da wird von A bis Z ein Wert vorgegeben und jeder zieht das durch. Sowas zu sehen, das ist für mich einfach klasse.”

Sehr schön. Eine abschließende Frage hätte ich noch: Wer ist am Ende der Saison vorne, von ihren beiden Ex-Clubs? Also wer ist besser platziert, Gladbach oder Bremen?

“Beide werden nichts mit dem Abstieg zu tun haben. Ich muss ja ein bisschen diplomatisch bleiben. Daher haben beide die gleiche Punktzahl und haben mit dem Abstieg nichts zu tun. Aber nach der jetzigen Konstellation, so wie sie jetzt auftreten, wird Werder wahrscheinlich vor Borussia Mönchengladbach stehen.

So, wie es im Moment aussieht. Wie gesagt, sie sollen sich beide da oben irgendwann wieder in den nächsten Jahren festsetzen, das würde mir eine große Freude bereiten.”

Uli Borowka, es hat einen Riesenspaß gemacht, mit Ihnen zu sprechen. Man hat eben einfach auch noch mal gehört, was Ihnen wichtig ist und wofür Sie leben und stehen. Vielen Dank dafür.

“Sehr gerne. Sehr gerne. Alles Gute.”

Interview: Carsten Fuß


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Karl-Heinz Fischer

Karl-Heinz Fischer

Alter: 39 Nationalität: Deutschland Lieblings-Wettanbieter: Sportwetten.de

Nach einem Publizistik-Studium und mehreren Jahren als Sportjournalist, wechselte Karl-Heinz in die Wett-Industrie. Dort wurde er nach mehreren Jahren von der Wettbasis abgeworben und ist seither ein wichtiges und fixes Teammitglied unserer Redaktion.

Karl-Heinz ist hauptsächlich für die Beidfüßig Expertengespräche aktiv, aber auch bei den Wettanbietervergleichen lässt er seine Expertise und Erfahrungen einfließen. Privat wettet Karl-Heinz gerne auf die deutsche Bundesliga, bevorzugt Systemwetten.   Mehr lesen